Berthold-Mitarbeiter wehren sich

■ Belegschaft verhandelt mit einem privaten Investor / 150 Mitarbeiter sollen angeblich übernommen werden / Servicegesellschaft GSUB macht wenig Hoffnung auf Einrichtung eines Arbeitsförderbetriebs

Die Belegschaft der Berthold AG, einem der ältesten Fotosatzhersteller der Stadt, stemmt sich gegen den Untergang. Nachdem das 135 Jahre alte Unternehmen im August den Konkurs anmelden mußte, sind nun die Beschäftigten selbst in Aktion getreten. Derzeit verhandeln sie mit einem Investor, um wenigstens einen Teil der rund 400 Arbeitsplätze zu erhalten. Im Gespräch sei man mit dem aus der Satz-Branche stammenden englischen Unternehmen „Monotype“, versicherte gestern der Betriebsratsvorsitzende Ronald Hinz. Dieser habe sich bereit erklärt, 150 Arbeitsplätze zu übernehmen. Die verbleibenden 250 Beschäftigten wolle man in einem Beschäftigungs- und Qualifizierungs-Arbeitsförderbetrieb unterbringen.

Diese Mitteilung, bereits am Dienstag an die Presse gefaxt, hat mittlerweile bei der Gesellschaft für Soziale Unternehmensberatung (GSUB) für Verärgerung gesorgt. „Damit werden Erwartungen bei den Mitarbeitern der Berthold AG geweckt, die möglicherweise nicht erfüllt werden können“, erklärte GSUB-Geschäftsführer Reiner Aster, dessen Servicegesellschaft für die Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen tätig ist. Tatsache ist: Das Modell der Arbeitsförderbetriebe, die betriebswirtschaftlich tätig sind und auch eigene Einnahmen erzielen können, erstreckt sich nach wie vor nur auf den Ostteil der Stadt. Finanziert wird dieses Modell durch Lohnkostenzuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit nach dem Paragraphen 249h des Arbeitsförderungsgesetzes sowie aus Mitteln des Landes. Zwar ist der Bundesrat kürzlich einer Berliner Initiative gefolgt, wonach künftig der 249h auch im Westteil der Stadt gelten soll – doch noch steht die Zustimmung des Bundestages aus. Und selbst bei einem positiven Signal aus Bonn scheint für die Berthold AG noch kein grünes Licht aufzuleuchten. Bei der Arbeitsverwaltung stapeln sich mittlerweile 33 Anträge für Arbeitsförderbetriebe, doch nur 500 Stellen können in diesem Jahr überhaupt eingerichtet werden.

Als „realistischere Variante“ hält Aster von der GSUB derzeit eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) für einen Teil der Berthold-Beschäftigten. Denkbar sei beispielsweise die Unterbringung von rund 40 Schwerbehinderten des Unternehmens in einer solchen BQG. Erstmals wurde mit der BEQUIT in Tempelhof am 8. September eine BQG offiziell in Westberlin in Betrieb genommen. Hier konnten einige Arbeitnehmer der in Liquidation geratenen Firma Optyl und des teilweise stillgelegten Unternehmens Vielmetta (Metall- und Gummibranche) aufgefangen werden. Gefördert wird die BEQUIT vom Arbeitsamt II (Neukölln), der Arbeitsverwaltung. Hinzu kommt eine Kombination verschiedener arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen. Nächste Woche wird die GSUB mit dem für die Beschäftigten der Berthold AG zuständigen Arbeitsamt I Gespräche führen – auch über eine BQG, wie Aster versicherte. Severin Weiland