Bitte keine Jammer-Arien

■ Interview mit Sabine Stövesand, Mit-Organisatorin der Frauenwoche

Heute beginnt die diesjährige Frauenwoche. Sie wurde organisiert von sieben Frauen, die wissen, was sie tun: Alle haben dieses feministische Ereignis mindestens zweimal geplant und veranstaltet, eine von ihnen - Edda Armbruster - ist sogar Mitgründerin der Hamburger Frauenwoche, die 1981 ins Leben gerufen wurde. Bis 1991 fand das Projekt immer im März in der Hochschule für Wirtschaft und Politik statt. Seit vorigem Jahr haben sich Konzept und Rahmen geändert.

taz: Wo liegen die Schwerpunkte der diesjährigen Frauenwoche?

Stövesand: Das Thema ist Frauen und Politik. Es reicht von der Auseinandersetzung zwischen Frauen und Nationalismus über die Diskriminierung der Frauen im Rentenrecht bis hin zu autonomen feministischen Wohnprojekten.

Geht es dabei um individuelle Weiterentwicklung oder um politische Ziele der Frauenbewegung?

Um beides. Es geht uns einerseits um eine starke Außenorientierung und andererseits um eine Weiterentwicklung der internen Strukturen. Denn dem großen „Wir“ und der Euphorie „Frauen sind stark“ folgte die Desillusionierung; es heißt ja nicht umsonst in einer Veranstaltung „Gemeinsam sind wir stark - aber gegeneinander.“ Es gibt individuelle Unterschiede und verschiedene ökonomische Interessen. Mit der Solidarität war es nicht so einfach, wie wir uns das gedacht haben.

Ist die Frauenwoche überhaupt noch notwendig?

Es ist immer noch ein Politikum, daß es die Frauenwoche gibt. Es ist wichtig, eroberte Räume gerade in diesen Zeiten nicht aufzugeben. Auf vielen Ebenen gibt es eine Rückentwicklung. Vom klassischen 218-Thema (Abtreibung) bis dazu, daß Frauen immer noch den Großteil der Armutsbevölkerung stellen. Auch das Modell der Nur-Hausfrau ist noch lange nicht abgebaut. Gerade Frauen sitzen auf den prekären Arbeitsplätzen. Im heutigen politischen Klima ist die Frauenwoche notwendiger als je zuvor, denn in Deutschland kehren Begriffe wie Vaterland wieder ein, männliche Ideologien bekommen wieder mehr Raum. Da ist so jemand wie Heitmann (von der CDU vorgeschlagener Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten) nur noch das I-Tüpfelchen einer solchen Entwicklung; er sagt, die zentrale Rolle der Frau sei die der Mutter, außerdem sei Selbstverwirklichung und Mutterschaft nicht vereinbar. Zum Klima gehört aber auch das Thema Gewalt gegen Frauen, wie zum Beispiel in der Werbung oder der Pornografie immer noch üblich.

Bist du gegen Pornografie?

Nein, nicht grundsätzlich. Aber oft wird darin die Ideologie wiederbelebt, daß Frauen vergewaltigt und geschlagen werden wollen. Und auch bei der Werbung hat sich Frauenfeindlichkeit noch gehalten: Es werden immer noch Autoreifen mit Frauenhintern verkauft. Soviel Fortschritt, wie wir uns gewünscht haben, hat es eben nicht gegeben. Auch eine gemeinsame Interessensorganisation fehlt immer noch. Vielleicht gibt es deshalb auch keine gemeinsamen Ziele mehr.

Ist nicht das Ziel dasselbe, aber die Wege dorthin sind unterschiedlich?

Ich glaube, sowohl die Wege als auch die Ziele sind unklar.

Welche Frauen wollt ihr mit der jetzigen Frauenwoche ansprechen?

Früher wollten wir die Hausfrau in Norderstedt erreichen. Doch wir haben gemerkt, diesem Anspruch können wir nicht gerecht werden. Wir möchten die Frauen ansprechen, die politisch interessiert und neugierig sind.

Ihr habt das Projekt von 'Frauen/Lesben-Woche' wieder in 'Frauenwoche' zurückgetauft. Fehlen die autonomen Frauen?

Nein, viele Frauen und Projekte verstehen sich als autonom und sind es auch von den Themen her. Wir haben Lesben und Heteras zusammen drin. Wenn es nicht 'Frauen/Lesben-Woche' heißt, denken viele Frauen, es wäre nicht radikal genug, und kommen nicht. Da fallen ganz schnell die ideologischen Scheuklappen, gerade bei den jüngeren Frauen.

Ihr habt mehrere prominente Referentinnen wie Adrienne Göhler (Präsidentin der HfbK), Frigga Haug (Soziologie-Professorin an der HWP), Christina Schenk (Bündnis 90, Mitglied des Bundestages) und Krista Sager (Fraktionsvorsitzende der Hamburger GAL). War es schwierig, sie zu bekommen?

Nein, sie haben sich von selbst gemeldet. Krista Sager hat aber abgesagt. Gerade jetzt wäre es so interessant, weil sie mit den Männern pokern muß.

Es gibt nur noch wenig Lesben-bezogene Themen.

Das hängt davon ab, was die Referentinnen einreichen. Ich denke, die politischen Interessen überschneiden sich bei Heteras und Lesben. Aber warum die Lesben keine politischen Themen eingereicht haben, weiß ich nicht.

Auch Sex-Themen fehlen. Ist das Private nicht mehr politisch?

Sex war für uns kein Thema, außer bei der sexuellen Selbstbestimmung, wie beim Lesbisch-Sein oder bei der Abtreibung. Sex kommt nur in Zusammenhang mit sexueller Gewalt und mit Mißbrauch vor. Es gehört offensichtlich nicht zu den aktuellen Themen, wenn wir die Referentinnen als repräsentativ annehmen.

Zwei Veranstaltungen bestreitet Christina Schenk, sie referiert über Ost-West-Probleme. Siehst du durch die Frauen der Ex-DDR die westdeutsche Frauenbewegung in ihrer Entwicklung zurückgeworfen?

Nein. Wir haben nur zuwenig Kontakt und zuwenig Erfahrung miteinander. Außerdem gibt es bei den ostdeutschen Frauen große Vorbehalte und Verletzungen. Die Frauenbewegung ist durch die Vereinigung zurückgeworfen, durch rechte Ideologien, die gegen Frauen gerichtet sind.

Was sind die neuen Themen der Frauenbewegung?

Es geht zum Beispiel um das, was die Amerikanerin Judith Butler in ihrem Buch 'Das Unbehagen der Geschlechter' beschrieben hat, um die Kategorie 'Frau'. Der Unterschied zwischen 'sex' und 'gender', so wie er im Amerikanischen gemacht wird, funktioniert nicht. Diese Konstruktion wird auch in der deutschen Intellektuellen-Szene diskutiert. Ein weiteres Thema ist der 'backlash', wie ihn Camille Paglia betreibt, nämlich die alte patriarchalische Scheiße wieder aufzukochen, der Mann sei der Schöpfer der Transzendenz und die Frau nur das Schleimige, die Erde. Ein weiteres dickes Thema ist der Rassismus und die Solidarität unter Frauen.

Glaubt ihr, daß euer Angebot auf Resonanz stößt?

So genau kann ich das nicht einschätzen. Aber wir haben viele positive Rückmeldungen bekommen. Die Frauen wollen keine Jammer-Arien mehr.

Was ist deiner Meinung nach an dem diesjährigen Programm mißglückt?

Wir finden unser Programm ganz schön klasse. Aber mit den Räumen sind wir unzufrieden, es fehlen oft Zugänge für Rolli-Fahrerinnen. Außerdem brauchen wir noch Helferinnen, zumindest für das Abschlußfest.

Euer Motto „Du bist so häßlich, daß ich's kaum ertragen kann“ ist recht mißverständlich.

Ja, das haben wir gemerkt, viele beziehen das häßlich auf die Frauen. Es entstand aus so einem Schnack in der Gruppe und ist bezogen auf die traditionelle Politik: Kohl ist so häßlich und die widerlichen Rituale in Bonn. Es stammt aus einem Lied von Konstantin Wecker.

Was ist dein persönliches Ziel?

Unsere Situation mit Kompetenz, Witz und Leichtigkeit zu verbessern.

Die Fragen stellte Annette Bolz.