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„Das ist das blanke Chaos“

■ Müllberge nach Erneuerung des Systems zur Essensverteilung im UKE / Jedes Zitronenachtel ist in Folie verpackt Von Peter Behrendt

Überall wird heute darüber nachgedacht, Müll zu vermeiden, nicht jedoch im Universitätskrankenhaus Eppendorf. Seit Montag herrscht auf einigen Stationen „das blanke Chaos“, wie eine Schwester meint. Es wurde nämlich ein neues System zur Verteilung der Speisen eingeführt, das sogenannte „Bestellsystem“ –leuchtendes Ergebnis einer fünfjährigen Kommissionsarbeit.

Im Krankenzimmer hängt nun ein Speiseplan aus, auf dem jeweils drei Frühstücke, Mittag- und Abendessen angeboten werden. Die gewünschten Speisen werden in eine Bestellkarte eingetragen, die in der Großküche maschinell gelesen und ausgewertet werden. Dort werden dann die gewünschten Essen in Container gepackt und auf die jeweilige Station gebracht.

Hier beginnt dann der Spaß für das Pflegepersonal. Aus dem Container werden einzeln verpackte Scheiben Brot, Käse, Wurst und Eier genommen – selbst Zitronenscheiben sind eingeschweißt. Dazu kommen kleine Alu-Portionsschälchen mit Marmelade, Honig und Butter. „Schon am Morgen laufen bei uns die Mülleimer über“, so ein Pfleger. Aber nicht nur die Verpackungen füllen die Eimer; die Bestellkarten selbst gelten nur jeweils für ein Essen – dann werden sie eingesammelt und weggeworfen. Das sind pro Station bis zu 110 mit Computer-Code versehene, gedruckte Karten, die aber nicht etwa im Altpapier landen, sondern einfach im Müll verschwinden, wie eine Schwester bestätigte.

Ein anderer negativer Aspekt ist der Zeitaufwand. „Letzte Woche noch brauchte ich für die Zubereitung und Verteilung der Essen maximal eine halbe Stunde, heute benötige ich über eine Stunde“, ärgert sich eine Schwester. Wenn der Container mit den Mahlzeiten kommt, müssen die von den PatientInnen gewünschten Essen zusammengestellt werden. Dabei werden die Bestellkarten mit der Lieferung verglichen. „Wir müssen suchen und auf die jeweiligen Tabletts verteilen, das kostet Zeit. Und wenn, wie gestern, von 16 bestellten Brötchen nur fünf, oder statt sechs Eiern nur zwei, oder anstelle der Roggenbrötchen Müslibrötchen kommen, dann ist hier der Bär los“, ergänzt eine andere Schwester.

Da die Bestellzettel immer für den übernächsten Tag ausgefüllt werden müssen, gibt es vor allem Probleme mit den älteren PatientInnen, die sich nicht mehr an ihre Bestellung erinnern können und etwas anderes wollen – etwas anderes gibt es aber nicht. Viele Patienten der psychiatrischen Station sind nicht in der Lage, allein eine Auswahl zu treffen oder den Bestellzettel auszufüllen. „Die Dinger müssen ausgefüllt werden wie Lottoscheine“, so eine Schwester, „wer sich verschreibt, bekommt was anderes“. Hier müssen die Pflegekräfte nochmals viel Zeit aufwenden, die zu Lasten der Pflege geht.

Für die Pressesprecherin des UKE, Dr. Marion Schafft, sind das „Erscheinungen, die bei jeder Umstellung vorkommen. Wir werden so schnell wie möglich Engpässe beseitigen“. Gestern fand ein erstes Gespräch mit allen Beteiligten statt. Der zuständige Leiter der Wirtschaftsabteilung, Manfred Hannig meint, „der Müllberg wird eher kleiner als größer, denn wir werden beim zweiten Schritt des Systems ganz auf Einwegverpackungen verzichten“. Dann, so prophezeit er, werde auch „die Entlastung der Pflegekräfte erreicht werden.“

Der zweite Schritt ist das „Tablettsystem“. Dabei wird in der Großküche das individuelle Essen zusammengestellt und auf Tabletts direkt an die Patienten geliefert. In frühestens einem Jahr soll das soweit sein. Warum es solange dauern wird, weiß Manfred Hannig nur damit zu erklären, daß „die Infrastruktur des UKE noch verändert werden muß“. „Die Idee des „Tablettsystems“ ist nicht schlecht, aber daß wir noch über ein Jahr dieses Chaos hier mitmachen werden, das darf niemand von uns erwarten“, erklärt ein Pfleger.

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