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Abrakadabra, Simsalabim

■ Die Geschichte der Magie, auch deren durchaus mysteriöse Gerätschaften im Berliner Panoptikum

Eine Geschichte der Pädagogik: In der Toilette eines New Yorker Museums wäscht eine Mutter ihrer etwa vierjährigen Tochter die Hände. Nach Beendigung der Prozedur strebt diese wortlos dem Ausgang zu. Eine Freundin der Mutter, die den Vorgang beobachtet, ruft dem Mädchen „thank you!“ hinterher. Auf dessen erstaunten Blick hin erklärt sie, daß sich das Mädchen der Hilfe wegen zu bedanken hätte. Und sie fährt fort, das Kind zu fragen, ob es die zwei Wunderworte kenne, die ihm im Leben alle Wege öffneten? Das Kind beginnt zu strahlen und sagt: „Oh, yes! Abrakadabra, Simsalabim!“

Eine Geschichte der Magie, wäre zu bericht(ig)en, wenn die lästige Freundin der Mutter sich mit Hilfe dieser Worte in Luft aufgelöst hätte. Denn Erscheinen, Verschwinden, Verwandeln, Zerstören und Wiederherstellen sind die fünf Prinzipien, auf denen die Zauberei seit alters her beruht. Weshalb unsereins so gerne zaubern könnte. Manche können es bekanntermaßen. Und einer von ihnen, Peter Rückert, gibt im Berliner Panoptikum Auskunft über historische Helden, Hilfsmittel und Tricks des magischen Theaters. Die Sache ist allerdings notwendigerweise knifflig. Worüber ist zu schreiben, wenn in der Schachtel, in der die unsichtbaren magischen Fäden nach Farbe, Gewicht und Durchmesser einsortiert sind, nichts zu sehen ist? Gleichwohl muß man ja anerkennen: Unsichtbar ist unsichtbar.

Der früheste Zauberer, von dem die Welt Kenntnis hat, so läßt sich in der Ausstellung erfahren, hieß übrigens Dedi und verblüffte den ägyptischen König Cheops damit, daß er einer Gans den Kopf abschlug, ihn an die westliche Seite der Halle legte und den anderen Teil an die entgegengesetzte Stelle. Dann sprach er einige magische Worte. Man möchte wetten, Abrakadabra, Simsalabim. Und siehe da, die Gans stand auf und watschelte ihrem Kopf entgegen, und als sich beide Teile wieder vereinigt hatten, zischte sie — berechtigterweise — beleidigt in bekannter Gansmanier. Davon jedenfalls berichtet der Papyrus Westcar vom Ende des 17. Jahrhunderts vor Christi Geburt. David Copperfield scheint das Original im Berliner Bode-Museum genau studiert zu haben, denn auch er beherrscht dieses verhexte Gaukelspiel.

Man würde doch zu gerne dahinterkommen. Zum Beispiel hinter das Geheimnis von „Karla“. Die lebensgroße Puppe stand in den zwanziger Jahren im Schaufenster eines Kaufhauses in der Friedrichstraße. Auf Zuruf der Passanten konnte sie gewünschte Worte oder Gegenstände schreiben oder malen. Später nach Amerika verkauft, galt sie als verschollen, bis sie vor zehn Jahren in irgendeinem Kaff in Südamerika verstaubt in einer Kiste wiedergefunden wurde. Nun steht sie — wunderhübsch anzusehen, trotz ihres etwas ramponierten grünen Taftkleids — im Panoptikum und zeigt sich erneut gewillt, ihre Künste zu beweisen.

Oder was ist mit dem Hokuspokus der „Eintagsfliege“? Mit der „verschwindenden Petroleumlampe“, einem Requisit aus dem 19. Jahrhundert? Dem „magischen Teeset“?

Der Fachmann staunt, der Laie wundert sich. Über all die mirakulösen Apparate und die scheinbar harmlosen Gegenstände des Alltags, die es in sich haben. Alle sind sie liebevoll restauriert und mithin voll funktionsfähig. Dazu kommen die alten Plakate, Anschlags- und Ankündigungszettel aus dem 18. und 19. Jahrhundert, oder ein Spiegel-Titel vom 9. Februar 1950, auf dem der Zauberkünstler Ludwig Hanemann zu sehen ist: „Alles ein Märchen: Punx (siehe „Magie“)“. Der Fachmann in Gestalt des derzeit weltweit bekanntesten Magiers David Copperfield wird während seines Berlin-Aufenthalts der Ausstellung im übrigen seine Aufwartung machen. Brigitte Werneburg

„Hokuspokus, Abrakadabra, Simsalabim!“ Bis 16. Januar 1994 im Berliner Panoptikum im Ku'damm-Eck, tägl. 10–23 Uhr, Vorführungen mit den ausgestellten Requisiten entsprechend Vorankündigung.

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