■ Autoschieber: Polizisten, Ministerialbeamte und Richter:
: Die Anklagebank ist prall gefüllt

Augsburg (taz) – Schön verteilt, wie die I-Männchen in einem Klassenzimmer, sitzen zehn blasse Herren auf den Anklagebänken, vor sich auf dem Tisch ein Namensschild. Der Vorsitzende Richter betritt mit Schöffen und Beisitzer im Schlepptau den großen Sitzungssaal und ruft die zehn Angeklagten auf: Die schwarzen Schafe sind Polizisten, Ministerialbeamte und ein Richter.

Zu ihrer Rechten, im 90-Grad- Winkel, reihen sich ihre elf Verteidiger aneinander. Das Verhältnis 10:11 kommt daher, weil sich einer der gutverdienenden Top-Beamten offenbar gleich zwei Anwälte leistet. Was die Rechtsvertreter nicht sehen können, weil sie den großen Fenstern den Rücken zukehren, ist das wuchtige Theater der Brecht-Stadt Augsburg, das beim Blick aus dem Sitzungssaal die rechte Kulisse für dieses Possenstück abgibt.

Es hat lange gedauert, bis dieser Prozeß endlich eröffnet wurde und einige dieser hohen Beamten sich im Klartext zur Anklage äußern müssen. Über Jahre hinweg haben sie ein Amigo-System ganz besonderer Art unterhalten. Zur Versteigerung anstehende Polizeiautos – recht hochwertige Zivilkarossen zum Teil – wurden „freihändig“ an Kollegen verkauft und vorher noch peinlich genau auf Staatskosten auf Vordermann gebracht. Dabei sollten die Autos ja eigentlich versteigert werden, was jedoch durch raffinierte Tricks geschickt verschleiert wurde. Und so kam so mancher korrekte Staatsdiener für 4.000 Mark zu einem Auto, das in der Liste mit 10.000 Mark oder mehr geführt wurde.

Hauptangeklagter ist ein inzwischen pensionierter Polizeihauptkommissar, einstmals Werkstattchef beim Polizeipräsidium Augsburg. Bei ihm bedienten sich die Herren aus den Ministerien samt Ehefrauen und Söhnen ebenso wie das Rote Kreuz in Dillingen und die Allgäuer Gemeinde, in der der Bruder des angeklagten Kommissars Bürgermeister ist. Aber es bediente sich angeblich auch der die Versteigerung leitende Beamte des Finanzamtes.

Strafrechtliche Folgen wird das für die meisten von ihnen nicht mehr haben – die Strafe ist nämlich längst verjährt.

Aus nur schwer nachvollziehbaren Gründen wurden die Ermittlungen auf Teufel komm raus eingestellt: Das Verfahren gegen Ex- Polizeipräsident Claus Kaestel, der jahrelang informiert war, aber angeblich nichts wußte, das Verfahren gegen drei der zehn Angeklagten noch während des laufenden Verfahrens (gegen Zahlung einer Geldbuße), und vor allem wurden die Ermittlungen gegen knapp 50 weitere Verdächtige in über 110 Fällen gar nicht erst zur Anklage gebracht. „Merkwürdige Auswahlverfahren“, kommentierten das einige Anwälte. Und hätte nicht ein Personalrat (damals schon) ausgepackt, wäre das Ganze wohl nie aufgeflogen.

Viel wird trotzdem nicht herauskommen bei diesem seit eineinhalb Wochen laufenden Prozeß, wenn am Mittwoch die Urteile gefällt werden. Der Staatsanwalt hat in seinem Plädoyer für den Hauptangeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und 15.000 Mark Geldstrafe beantragt. Die übrigen Angeklagten sollen zwischen 12.000 und 15.000 Mark zahlen. Der Vorsitzende Richter hat schon am ersten Verhandlungstag durchblicken lassen, daß er sich wirklich nicht um dieses Verfahren gerissen habe. „Dabei sollte doch alles ganz genau aufgeklärt werden“, ließ uns vor genau drei Jahren der damalige Innenminister Edmund Stoiber ausrichten, als wir anfragten, wie lange sich denn die Ermittlungen noch hinziehen. Wer's glaubt, wird aufgenommen in den exklusiven Club beamteter Autoschieber. Und deshalb: Saludos Amigos! Klaus Wittmann