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Weniger Lohn gegen sichere Jobs

■ IG Metall schlägt Unternehmern ungewöhnlichen Deal vor

Berlin (ap/taz) – Metallarbeitnehmer sollen im kommenden Jahr vier Prozent mehr Lohn bekommen und ein Jahr lang vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt sein – dies wünscht sich die IG Metall für die kommenden Tarifverhandlungen in der westdeutschen Metallindustrie.

IG-Metall-Chef Zwickel verriet gestern schon – unüblicherweise – die Hauptpunkte des Forderungsprogramms dem Handelsblatt. Danach will die Gewerkschaft vier Prozent mehr Lohn als Ausgleich für die Preissteigerungen. Hinzu soll noch ein Zuschlag von zwei Prozent für die geschätzte Produktivitätsrate für 1994 kommen. Auf diesen Zuschlag aber will die Gewerkschaft ganz oder teilweise verzichten, wenn die Arbeitgeber dafür zwölf Monate lang keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen.

Zwickel schlug weiter vor, die Arbeitszeit jetzt schon auf 35 Stunden zu verkürzen, bei vollem Lohnausgleich. Höhere Kosten und Auftragsschwächen könnten auch durch Kurzarbeit, freiwillige Teilzeitarbeit, befristeten Freistellungen und Ruhestandsregelungen teilweise aufgefangen werden.

Bei den Arbeitgebern dürfte Zwickel mit diesen Forderungenjedoch auf Granit beißen. Gesamtmetall-Präsident Hans-Joachim Gottschol drängte gestern beim tarifpolitischen Forum der Metall- Arbeitgeber erneut auf Kostenentlastung der Betriebe. Gesamtmetall-Geschäftsführer Dieter Kirchner verwies auf massive Produktivitätseinbrüche in Höhe von 14 Prozent und einem Verlust von 30.000 Arbeitsplätzen pro Monat. Wie berichtet, wollen die Arbeitgeber bei den kommenden Tarifverhandlungen auch über Verschlechterungen bei den Urlaubsregelungen verhandeln. Dies hat Zwickel energisch abgelehnt. Die Tarifverhandlungen sollen im Dezember beginnen.

Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Heribert Späth, goß gestern Öl ins Feuer des Tarifstreits. Späth verteidigte die Kündigung der Tarifverträge durch die Arbeitgeber in der Metallbranche. Eine solche Kündigung sei nur Ausdruck „einer tiefen Kostenkrise“. Späth sprach sich im Handwerk für niedrigere Einstiegslöhne und flexible Arbeitszeit aus.

Größte Branche des Handwerks ist das Bau- und Ausbaugewerbe. Der Sprecher des Bundesvorstandes der IG Bau-Steine-Erden, Werner Köhler, äußerte sich jedoch gelassen zu Späths Forderungen nach tariflichen Verschlechterungen. Der Hauptverband der deutschen Bauindustrie habe deutlich gemacht, daß eine Kündigung der Tarifverträge durch die Arbeitgeber nicht erwogen werde. „Die würden sich nur ins eigene Fleisch schneiden“, so Köhler.

Das Bauhandwerk leidet unter chronischem Nachwuchs- und Facharbeitermangel. Mit der Streichung des Schlechtwettergeldes würde das Gewerbe für die Beschäftigten noch unattraktiver, so Köhler. Eine tarifliche Verschlechterung brächte nichts. Die Tarifverträge im Bauhauptgewerbe laufen im März kommenden Jahres aus. Verhandelt wird überregional, in einigen Branchen des Handwerks aber auch auf regionaler Ebene. BD

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