: Bürokratie, Umwelt, Gifte und Tierschutz
■ Das Angeln in Berlin ist juristisch und ökologisch eine komplizierte Angelegenheit
Noch vor zwei Jahren durften die Fische, die in Berliner Gewässern gefangen wurden, nicht einmal in die Tierkörperbeseitigungsanstalt gebracht werden: Selbst für die Fischmehlherstellung war der Vergiftungsgrad zu hoch – es blieb nur der Sondermüll. Nachdem 1988 die sogenannte „Höchstmengenverordnung“ in Kraft getreten war, galten Fische aus fast allen Gewässern als PCB- und DDT- vergiftet. Heute sind nach Angaben des Fischereiamtes nur noch Fische aus Teltowkanal und Unterhavel stark belastet, den Rest dürfe man unbedenklich verzehren. Appetitanregend wirkt die von der Senatsverwaltung für Umweltschutz herausgegebene Karte „Schadstoffe in den Fischbeständen von Berlin“ dennoch nicht. Aal grün aus dem Landwehrkanal? Puh!
Wenn an den Kanälen trotzdem bisweilen Angler sitzen, so kann das Streit auslösen. Denn Tierschutzverbände machen schon seit einigen Jahren gegen das Angeln mobil – und nach dem Tierschutzgesetz sind die Leiden, die den Fischen beim Angeln zugemutet werden, nur durch einen „vernünftigen Grund“ zu rechtfertigen. Als solcher gilt die Nahrungsaufnahme: Wer angelt, um einen Fisch zum Essen zu fangen, bewegt sich im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Wer aber nur aus reiner Lust an der Jagd einem – zudem ungenießbaren – Fisch nachstellt, kann keinen vernünftigen Grund vorweisen.
Deutsche Gerichte neigen mehr und mehr dazu, die Praktiken der Angler kritisch zu sehen: Christiane Bernhard, Angel-Expertin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), hat eine ganze Reihe von Gerichtsurteilen gesammelt. Sie hat vor wenigen Wochen das Bezirksamt Reinickendorf wegen Tierquälerei angezeigt; der Grund: ein Wettangeln für Jugendliche am Tegeler See unter Schirmherrschaft des Bezirksamtes Ende August. Wettangeln gilt in der Rechtsprechung schon seit Jahren als Tierquälerei, denn einzig die Ermittlung eines Siegers gilt eben nicht als „vernünftiger Grund“. Nun sind die Angelvereine auf den Dreh verfallen, solche Veranstaltungen als „Hegefischen“ zu deklarieren. In den meisten Berliner Gewässern ist der Bestand an Weißfischen – insbesondere Bleien und Güstern – so stark angewachsen, daß deren Ausfang als „Hege des Fischbestandes“ gilt – mit dem Segen des Fischereiamtes.
Kompliziert wie diese Regelung ist fast alles Fischige. Um angeln zu dürfen, braucht man eine Genehmigung, sonst macht man sich der Wilderei schuldig und riskiert eine Strafanzeige. Aber welche Erlaubnis? Im Westteil gilt noch das Preußische Fischereigesetz von 1916 in Verbindung mit dem Fischereischeingesetz von 1939. Danach darf angeln, wer beim Bezirksamt für 48 Mark einen Fischereischein und beim zuständigen Pächter eine Angelberechtigung erwirbt. Im Osten gelten DDR-Gesetze von 1959. Hier muß man entweder eine Angelkarte erwerben oder Mitglied im Deutschen Anglerverband (DAV) sein. Ein Fischereischein ist nicht erforderlich. Außerhalb der Stadtgrenze gilt ab 1994 das neue brandenburgische Fischereigesetz: Danach benötigt man auch hier einen Fischereischein und zusätzlich eine Angelkarte oder die DAV-Mitgliedschaft. Um den Schein zu bekommen, muß die Sportfischerprüfung abgelegt werden. Wer die abnehmen soll, ist derzeit noch unklar.
Der Prüfungsteil „Gesetzeskunde“ wird immer wichtiger, und eigentlich müßte jeder Angler seine Kenntnisse ständig auffrischen. Beispiel: das Verwenden von sogenannten „Setzkeschern“, Netzen also, mit denen geangelte Fische im Wasser noch am Leben – „frisch“ – gehalten werden, bis der Angler die Nase voll hat und nach Hause geht. Nach mehreren Gutachten ist mittlerweile klar, daß die Fische bei dieser Methode stark leiden – im Mai hat das Oberlandesgericht Düsseldorf den Einsatz von Setzkeschern jeglicher Bauart endgültig als Verstoß gegen die Tierschutzbestimmungen verurteilt. Das weiß aber kaum jemand – und auch der Verkauf von Setzkeschern geht weiter, denn es gibt keine Verordnung, die das verbietet. Bernd Pickert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen