: Wenn die Mächtigen von Frieden reden
Während Clinton von einer „politischen Lösung“ in Somalia spricht und gleichzeitig Tausende neuer US-Soldaten entsendet, fürchten die Bewohner Mogadischus neue Angriffe ■ Von Bettina Gaus
Berlin (taz) – „Die Amerikaner haben völlig die Kontrolle verloren. Den Somalis ist es gelungen, sie zum Laufen zu bringen“, faßt der Mitarbeiter einer in Mogadischu operierenden ausländischen Hilfsorganisation die Situation in der somalischen Hauptstadt zusammen. „Die Verminung von Straßen und Barrikaden von Milizen verhindern sogar den Zugang in ruhige Stadtviertel.“ Eine Sprecherin des Internationalen Roten Kreuzes bezeichnet die Lage als „gespannt“. Auch die UNO hat inzwischen weitere zivile Mitarbeiter nach Kenia evakuiert.
Die Bevölkerung kann sich nicht evakuieren lassen: Aus Angst vor neuen Gefechten zwischen somalischen Milizen und ausländischen Truppen sind in den letzten Tagen Tausende von Frauen und Kindern aus verschiedenen Stadtteilen geflüchtet. Im Gebiet um den ehemaligen Präsidentenpalast „Villa Somalia“ und den Bakara- Markt, das als Hochburg des Milizenchefs Farah Aidid gilt, wird die Bevölkerung dazu von den UNO- Streitkräften direkt aufgefordert. Wer die Gegend nicht verlasse, werde als Angehöriger der Aidid- Milizen betrachtet, drohten die Militärs auf Flugblättern, die aus der Luft abgeworfen wurden. Die von Aidid geführte Somalische Nationalallianz (SNA) äußerte daraufhin die Befürchtung, daß UNO-Truppen planten, das gesamte Stadtviertel dem Erdboden gleichzumachen.
Immer größer werden unterdessen die Widersprüche der Somalia- Politik der USA. Nachdem Präsident Bill Clinton am Donnerstag in seiner landesweiten Fernsehansprache ankündigte, mit 1.700 zusätzlichen Heeressoldaten und 3.600 neuen Marineinfanteristen die Zahl der bislang in dem afrikanischen Land stationierten 4.700 US-Soldaten mehr als verdoppeln zu wollen, betonten gestern Regierungskreise in Washington, daß bei den Bemühungen um einen Ausweg aus der Krise die Suche nach einer politischen Lösung im Vordergrund stehen müsse. Gefunden werden soll die allerdings offenbar von anderen als von den USA: Clinton entsandte Sonderbotschafter Robert Oakley nach Addis Abeba, der dort die Chancen sondieren soll, die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) sowie die Regierungen Äthiopiens, Kenias, Eritreas und Djiboutis als Vermittler einzuschalten. Während der US-Präsident es als Aufgabe der UNO bezeichnete, „ein sicheres Umfeld“ in Somalia zu schaffen und dabei die Hilfe Washingtons zusicherte, erklärte er gleichzeitig, daß US-Truppen dabei nicht anwesend sein müßten. Offenbar schon gar nicht unter UNO-Befehl: Die jetzt zusätzlich nach Somalia entsandten Streitkräfte werden ebenso wie die Besatzungen von drei vor der Küste ankernden Kriegsschiffen „unter dem Kommando der USA, nicht der UN stehen“, wie Clinton betonte. Ende März sollen die letzten US-Soldaten Somalia verlassen haben.
Als „PR-Trick“ wurde diese Ankündigung von dem Nuklearstrategen Fred Ikle, einem hochrangigen Pentagon-Mitarbeiter der Reagan-Administration, kritisiert: „Wenn unsere Truppen am 30.März angegriffen werden, wird der 31.März als Rückzugsdatum nicht mehr so gut aussehen.“ Die mangelnde Absprache der USA mit anderen Kontingenten der Vereinten Nationen wurde vom französischen Verteidigungsminister Francois Leotard kritisiert: Bei den Aktionen der US-Truppen in Mogadischu sei es zu „zahlreichen Fehlentwicklungen und Übertretungen“ gekommen. Es sei auch nicht zulässig, daß US-Truppen, wie geschehen, in einem vom italienischen Kontingent kontrollierten Sektor eingriffen, ohne die Italiener zuvor davon zu unterrichten.
Ungeachtet dessen beharren die USA offenbar auch weiterhin darauf, ihre Entscheidungen unabhängig von den Wünschen der UNO zu treffen. Das Angebot der SNA, den als Geisel festgehaltenen US-Piloten Michael Durant im Austausch gegen alle somalischen Gefangenen der UNO-Truppen freizulassen, ist von der UNO bereits abgelehnt worden – von der US-Regierung aber wird es amerikanischen Fersehberichten zufolge „in Erwägung gezogen“. Durant wurde gestern erstmals von einem Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes besucht.
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