Total auf den Hund gekommen

■ 1. FC Köln – Bayern München 0:4 / Seit Geißbock Hennes von den Spielern nicht mehr gestreichelt wird, treibt der Wurm im Kölner Spiel sein Unwesen

Köln (taz) – Vor dem Anpfiff entgegnete meine Nachbarin auf den Hinweis: „Da ist ja auch das Maskottchen!“, gemeint war Kölns lebender, und bei Heimspielen stets anwesender Geißbock Hennes: „Ach der Hund!“ Dem Geißbock wird diese Schmähung egal gewesen sein. Das ganze Spiel tat er seine Pflicht, standhaft Präsenz zu zeigen und teilweise sogar richtig interessiert zuzuschauen. Aber irgendwann zwischen dem dritten und vierten Tor der Gäste aus München drehte er sich gelangweilt ab.

Natürlich war er enttäuscht. Da steht man als Ziegenbock jahrelang am Samstag nachmittag in diesem doofen Stadium rum, darf noch nicht mal auf die grüne Wiese in der Mitte, sondern muß am Rand Platz nehmen. Früher wurde er ja noch von den Spielern, wenigstens von denen der eigenen Mannschaft, vor dem Spielanfang liebevoll gestreichelt oder zumindest berührt. Heute haben die FC- Spieler aber keine Zeit mehr, gehen einfach auf den Platz und meinen, sie würden das alles auch alleine schaffen. Das ist eben der Fehler. Ein bißchen Rückbesinnung auf die Tradition täte dem 1. FC Köln durchaus gut.

Aber wenigstens in München bei den dort ansässigen Fußballern des FC Bayern sind die Uhren endlich wieder zurückgedreht worden. Die Mannschaft hat schließlich doch noch kapiert, wie man erfolgreich spielt (erster Auswärtssieg nach 224 Tagen). Man besinnt sich einfach auf die alten, sieggarantierenden Tugenden der 80er Jahre, der Zeit also, in der der Club letztmals so richtig kontinuierlich erfolgreich war und schon läuft's. Wie damals schieben Libero, Manndecker und Außenverteidiger den Ball ohne nennenswerten Raumgewinn scheinbar stundenlang hin und her, plötzlich folgt dann der steile Paß in die gegnerische Hälfte, und dann macht es Bumm, und hat's kroacht. Viermal hatte Kölns Torwart Bodo Illgner das Bumm gehört, und Bayern-Manager Uli Hoeneß tönte, wie immer eine Spur zu laut: „Wir hätten am Ende sogar sieben oder acht Tore schießen können!“

Die Bayern gewannen, weil sie ein frühes Tor schossen, rechtzeitig eines nachlegten und in Lothar Matthäus nicht nur den besseren Libero, sondern auch den besten Spieler an diesem Nachmittag besaßen. Sicherlich hat Erich Ribbeck durch die Versetzung Matthäus' vom Mittelfeld auf den Liberoposten einen guten Zug gemacht. Was kann jemand, dessen großes Vorbild der letzte deutsche Kaiser ist, denn mehr wollen, als dessen historisch gewordenen Part einzunehmen. Und das zudem noch mit der Nummer 10 auf dem Rücken – so stellt man alternde Kicker-Redemaschinen kalt. Ob Ribbeck den gleichen Erfolg auch mit dem an die Nachkriegszeit erinnernden Verbot für Mehmet Scholl und Christian Ziege, Torerfolge in der sogenannten „Scholl- Liege“ auszutanzen – so was, was um halb vier morgens genausogut auf „Karamba, Karacho, ein Whiskey“ wie Level 42 geht –, haben wird, bleibt abzuwarten.

Beim 1. FC Köln hat man jetzt lange genug abgewartet. Das durch die Sperre Toni Polsters eklatant gewordene Sturmproblem soll am nächsten Spieltag in Wattenscheid ein Ende finden, wenn der Wiener nach sechs Spielen erstmals wieder dabei ist. Dirk Lehmann, der als einzelne Spitze nicht in der Lage ist, ins Tor zu treffen, wird es freuen. Und vielleicht können Polster-Tore auch Hennes, den Geißbock, wieder besser stimmen, wenn sie denn fallen. Wenn nicht, dann gibt es entweder nur ein nölendes „Määäh!“, oder er läßt mal wieder was auf die Tartanbahn fallen. Das hat er letzte Saison nämlich noch gemacht. Thomas Lötz

Bayern München: Aumann - Matthäus - Kreuzer, Helmer - Jorginho, Schupp, Nerlinger, Scholl, Ziege - Labbadia (59. Valencia), Witeczek (73. Zickler)

Zuschauer: 54.100; Tore: 0:1 Scholl (14.), 0:2 Jorginho (63.), 0:3 Helmer (75.), 0:4 Zickler (77.)

Lothar Matthäus, Einzelkritik (handgestoppt): Gelaufene Kilometer: 211; Durchschnittsgeschwindigkeit: 23,37 km/h; Maximale Schußgeschwindigkeit: 83 km/h; Stollenabrieb: 0,02 cm; Flüssigkeitsverlust: 0,92 l; Worte an die Mitspieler: 4; Worte an sich selbst: 6.334; Worte an den Trainer: 0, Worte an den lieben Gott: 2 („Herrgott sakra“)

1. FC Köln: Illgner - Christofte (74. Sturm) - Greiner, Higl - Steinmann, Hauptmann, (63. Fuchs), Rudy, Janßen, Heldt, Weiser - Lehmann