: Als das Theater Funken schlug
■ Das Oldenburger Staatstheater feiert: 100 Jahre in feuerfesten Wänden
„Die Ruinen ragten gespenstisch in die Lüfte.“ Ein Chronist beschrieb, was am Morgen des 25. November 1891 die Menschen der kleinen Residenz Oldenburg erschütterte: Das erst zehn Jahre zuvor von Gerhard Schnitger erbaute Hoftheater war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Nur knapp zwei Jahre dauerte es, bis vor einem Jahrhundert, am 8. Oktober 1893, eine fast originalgetreue Kopie des historisierenden Prachtbaus eröffnet werden konnte und das Großherzogtum wieder einen kulturellen Mittelpunkt hatte.
Mit einem musikalischen Festakt gedachte das Oldenburgische Staatstheater nun der historischen Feuersbrunst, und dem 100jährigen, feuerfesten Bestehen des beinahe originalgetreuen Nachfolgebaus.
Die Ursache der damaligen Brandkatastrophe war schnell aufgeklärt: Am Abend des 24. November 1891 stand Theodor Körners Tragödie „Zriny“ auf dem Spielplan. Beim pathetischen Freiheitskampf loderte ein Feuer auf der Bühne, dessen Weiterglühen offenbar niemand registrierte. Erst nach Mitternacht schreckte ein Feueralarm Brandschutz, Bürger und Erbgroßherzog aus dem Schlaf. Letzterer übernahm das Löschkommando, während ebenfalls herbeigeeilte Künstler nach Aussagen eines Augenzeugen „weinend im Theatergarten umherirrten“.
Auf einem benachbarten Platz wurde innerhalb weniger Wochen ein Behelfsbau aus Holz hochgezogen, in dem vom Februar 1892 an wieder Theater gespielt werden konnte. Wäre es nach der Mehrheit im Landtag gegangen, hätte das allemal ausgereicht. Die große Fraktion der Abgeordneten aus dem Südoldenburger Münsterland hätte am liebsten zusätzlich die Eisenbahnverbindung nach Oldenburg einstellen lassen, so steht's zu lesen, weil durch das Theater auch die Geschäfte in der Residenz zuviel Kaufkraft abschöpften.
Die Eisenbahn durfte weiterfahren, aber für den Theaterneubau wurde jede finanzielle Unterstützung verweigert. Als eine der eifrigsten Lobbyistinnen des Wiederaufbaus bedrängte fortan die Großherzogin, der im Behelfsbau keine angemessene Fürstenloge zur Verfügung stand, Oberbürgermeister und Magistrat zum Neubau unter städtischer Verantwortung.
Am 8. Oktober 1893 waren alle des Lobes voll, als mit einer Aufführung von Shakespeares „Kaufmann von Venedig“ das innen und außen üppig ausgestattete Gebäude eingeweiht wurde. Mäkeleien ließen allerdings nicht lange auf sich warten: Frau Oberbürgermeister, unter deren stattlichem Gewicht ein Stuhl zusammengebrochen war, diente als Beweis dafür, daß das in Berlin erworbene Gestühl für „unsere Eingeborenen“ nicht Btauglich sei.
Nicht nur das Gestühl ist im Verlauf von hundert Jahren mehrfach erneuert worden. Ein moderner Erweiterungsbau in den 70er Jahren wurde immerhin so diskret in den Hintergrund gesetzt, daß die von Schnitger erdachte Verbindung von Baustilen der Antike und der Renaissance äußerlich fast unverändert und markant bis heute überdauerte. dpa
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