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Unterm Strich

Hartnäckig hält sich das Gerücht, Berliner zeichneten sich durch eine Kombination von Herz und Schnauze aus. dpa hat diesen Mythos nun reaktiviert am Beispiel von Frau Edith Hancke, die zu ihrem 65. Geburtstag als Volksschauspielerin mit „unverkennbar kieksend-grellem Tonfall“ gefeiert wird. Besonders hübsch finden die Freunde, daß sie jeden Monolog mit einem „Jetzt lassen Sie mich mal zu Wort kommen“ beginnt. Da möchten wir doch mal kurz, in unserem typisch kieksend-grellen Tonfall in die Parade stolpern und einiges klarstellen. Erstens. Wer jemals versucht hat, mit einem kleinen Kind oder einem alten Tattergreis oder anderen schwer Vermittelbaren in dieser Stadt U-Bahn zu fahren, hat den Berliner gesehen, wie er wirklich ist: dem Komplizierten durchaus abgeneigt, bereit, aus nichtigsten Anläßen in größerem Stil vor die Köppe zu hauen, zeichnet sich der gemeine Berliner durch konsequente Mißliebigkeit aus. An der vielgerühmten Schnauze ist nur richtig, daß sie sich auftut, um Zahnruinen und Dußlichkeiten aller Art preiszugeben, von dahinter pochenden Herzen ist nur bekannt, daß sie unter Cholesterin-Bergen versunken und seither nicht mehr gesehen worden sind. Sie finden uns rassistisch? Darwinistisch? Arrogant dem Volke gegenüber wie es leibt und kracht? Die Heftigkeit rührt nur daher, daß wir, die wir eigentlich die Ausnahme hätten sein sollen, die die Berliner Regel bestätigt, uns langsam aber sicher zu eben solchen muffligen, maulfaulen und mißlaunigen Gesellen entwickeln, wie's der Neuköllner Nachbar schon lange ist. Oder was? Sie glauben uns nicht? Wollen Sie Streit?

Und weiter: Nein, das Berliner Stadtschloß wird nach der Hundert-Tage-Show nicht in der Versenkung verschwinden, in die es nach Auffassung unseres Mannes Detlef Kuhlbrodt gehört, sondern wird überwintern und bis zum Juni nächsten Jahres stehenbleiben. Könnte man nicht immerhin einen Kompromiß wagen nach dem Modell „versinkendes Kunstwerk“, wie in Hannover, wo eine Säule mit Inschriften langsam in den Boden absinkt? „A Stadtschloß Vanishes“? „Man, das Stadtschloß! gestern war's noch da“ könnten die Filmtitel dann heißen. Das wär doch nun wirklich apart.

Die französische Pianistin Catherine Collard ist am Sonntag im Alter von 46 Jahren an den Folgen eines Krebsleidens in Paris gestorben.

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