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Ganz Afrika soll in Liberia Frieden schaffen

■ Nach militärischen Erfolgen schraubt Nigeria seine Rolle in Liberia zurück

Berlin (taz) – Die Friedensschaffung im westafrikanischen Liberia wird zunehmend zu einem gesamtafrikanischen Problem. Seit 1990 ist in dem Bürgerkriegsland eine Eingreiftruppe der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft namens ECOMOG stationiert, geführt von Nigeria und gegenwärtig unter Beteiligung von Ghana, Sierra Leone, Gambia, Mali und Guinea. Nun sollen nach Berichten aus Nigeria Kontingente aus Ägypten, Sambia, Uganda und Tansania dazukommen.

Die Aufgabe der jetzt 16.000 Mann (davon 12.000 aus Nigeria) starken ECOMOG: die bewaffneten Gruppen in Liberia, wo Ende 1989 ein Bürgerkrieg ausgebrochen war, zu entwaffnen und Wahlen durchzuführen. In der Praxis hieß das: Die von ihr selbst eingesetzte „Interimsregierung“ unter Präsident Amos Sawyer gegen die Rebellen der „National Patriotic Front“ (NPFL) unter Charles Taylor – der vor dem ECOMOG-Einmarsch nahezu ganz Liberia außerhalb der Hauptstadt Monrovia kontrollierte – zu stützen. Seit Herbst 1992 hat das nigerianische Militär im Rahmen der ECOMOG beständig Geländegewinne gegen Taylor erzielt; die NPFL kontrolliert seit dem Frühjahr keine Häfen mehr. Am 25. Juli wurde in Benins Hauptstadt Cotonou ein Friedensvertrag unterzeichnet; daraufhin trat Anfang August ein Waffenstillstand in Kraft. Am 17. August wurde eine Übergangsregierung eingesetzt und die Bildung eines Staatsrates beschlossen, am 1. Oktober die eines Übergangsparlamentes – beides unter Beteiligung aller Bürgerkriegsparteien.

Das Problem: Beide Gremien werden erst „nach Beginn der Entwaffnung aller Fraktionen“ zusammenkommen. Die steht in den Sternen. Und von ihr hängt auch ab, ob die für Februar 1994 vorgesehenen Präsidentschaftswahlen stattfinden und der Wiederaufbau des Landes, das Zehntausende Kriegstote zu beklagen hat, beginnen kann.

Taylor will seine Truppen erst dann entwaffnen lassen, wenn dies nicht nach einem Durchmarsch Nigerias aussieht. In der Zwischenzeit rechnet er sich bei Wahlen gute Chancen aus, was Nigeria kaum recht sein kann. Das gegenseitige Mißtrauen wird genährt durch Vorfälle wie die Tötung von 600 Bewohnern eines Flüchtlingslagers am 6. Juni, die von der ECOMOG sogleich Taylors Soldaten zugeschrieben wurde. Eine UNO- Kommission befand aber im September, das Massaker sei eindeutig von der noch immer marodierenden Armee des 1990 getöteten Präsidenten Samuel Doe „geplant und verübt“ worden. Die ECOMOG war 1990 in Liberia als Verbündeter Does einmarschiert und sieht sich offenbar außerstande, das Wiedererstarken seiner Anhänger aufzuhalten.

Um den Friedensprozeß in Liberia zu sichern, muß Nigeria also zukünftig mehr in den Hintergrund treten. Bisher werde die ECOMOG-Mission in Nigeria als „absoluter Erfolg“ gewertet, so der Liberia-Kenner und Buchautor Robert Kappel. Nigeria habe internationales Prestige gewonnen: „Insofern ist die Beteiligung weiterer Länder natürlich auch ein Erfolg für Nigeria.“ Nigerias Übergangspräsident Ernest Shonekan sagte am 1. September, bis März – also nach den Wahlen in Liberia – würden „die Jungs“ heimgeholt. Die Forderung nach eine Erweiterung der ECOMOG auf ganz Afrika – also unter Ägide von UNO und OAU (Organisation für Afrikanische Einheit) – war zuerst im Juli von Übergangspräsident Sawyer gekommen: In einem Interview sagte er, viele Staaten wollten Truppen nach Liberia schicken – „unter der Bedingung, daß es sie nichts kostet“.

Zunächst hält sich die UNO zurück. Am 22. September beschloß der Sicherheitsrat die Entsendung einer Beobachtermission. Die soll aber Mitte Dezember wieder abziehen, falls keine „nennenswerten Fortschritte“ im Friedensprozeß erzielt werden. Dominic Johnson

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