: Alte Schinken an neuen Haken
■ Kunsthalle präsentiert sich nach dem Umbau in neuem Gewand und mit neuen Katalogen
Sonderausstellungen bringen Wirbel, aber mit der ständigen Sammlung wirkt ein Museum auf Dauer. Nach zweijährigen Provisorien und dem Einbau einer Klimaanlage ist jetzt die gesamte ältere Malerei der Hamburger Kunsthalle in neuer Hängung wieder zugänglich. Auf sanften grauen und grünen Verspannungen ist das vorhande Material gefällig und gediegen neu gruppiert, die Namensschilder auch aus der Entfernung lesbar unter den Bildern angebracht.
In einer nicht sklavisch beachteten Chronologie wechseln zeitbezogene, themenbezogene und, wo die Anzahl der Bilder es erlaubt, monographische Räume miteinander ab. Ein insgesamt ruhigerer Eindruck entsteht durch die langdiskutierte Anpassung der vier Hintergrundfarben und die Hängung von weniger Bildern als früher. „Vier Bilder auf einer Wand bilden möglicherweise eine schöne Reihe, geben aber keinen Sinn, da der Zusammenhang von den Künstlern so nicht gewollt wurde“, gibt der Direktor Uwe M. Schneede zu bedenken. Manche großen Bilder wie der herrausragende Lorrain „Aeneas Abschied von Dido in Karthago“ oder Menzels „Friedrich der Große in Lissa“ dürfen sich allein auf einer eigenen Wand entfalten.
Auch Konfrontationen unterschiedlicher Stile und Auffassungen wurden abgebaut. In nur wenigen Räumen sind sie bewußt gesucht: In Interpretation des Umbruchs in Kunst und Gesellschaft und dem Schwanken zwischen Rationalität und Romantizismus steht im Saal „Kunst um 1800“ die Marmorbüste des Philosphen Kant direkt neben der Geisterbeschwörung durch Ossian. Im gegenüberliegenden Ecksaal ist ein weiterer Gegensatz thematisiert: die Auswirkungen von Katholizität und Protestantismus auf die religiöse Malerei in Flandern und Holland, barockes Pathos und caravaggieske Lichtdramatik in Antwerpen und Utrecht für die Sinne des Spanien tributpflichtigen Südens, Stil- leben und Architekturbilder der Kirche als Andachtsbilder für den abstrakten Glauben des Nordens.
Neu sind die den Stars des 19. Jahrhunderts eingeräumten Säle: Caspar David Friedrich, Philipp Otto Runge und Adolph Menzel sind als kleine Einzelausstellungen präsentiert. Wer weniger an den Bildern als Einzelwerken und mehr am kunstgeschichtlichen Zusammenhang interessiert ist, findet jetzt in jedem Raum einen Saalzettel zur Information. Auch der wissenschaftliche Bestandskatalog zum 19.Jahrhundert ist neu erschienen (28 Mark). Zudem gibt es in der Reihe der preisgünstigen Broschüren (14 Mark) einen neuen Band über Caspar David Friedrich und über Adolph Menzel. Nächstes Jahr zum 125jährigen Jubiläum werden noch ein neuer Führer durchs ganze Haus und ein Prachtbildband erscheinen, um das Publikationsangebot abzurunden.
Hajo Schiff
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