Revolution der leeren Bänke verschoben

■ Paulus-Patoren geben ihren Putschplan nach Widerstand „von oben“ auf

Der geplante „Putsch“ der Altonaer Paulus-Pastoren ist niedergeschlagen worden. Vor zwei Wochen hatte die Kirchenjunta angekündigt, mit der evangelischen Jahrhunderttradition zu brechen und ab Juni 1994 nur noch einmal im Monat einen Haupt- und einen Kindergottesdienst anzubieten. Jetzt wurden die Revolutionspläne „aus Einsicht“ vorerst auf Eis gelegt. Auch künftig sollen die Paulus-Glocken Sonntags zum Kirchengang läuten - unabhängig davon, wieviele Menschen ihnen folgen.

Dennoch fühlen sich die beiden „Revolutionsführer“, Pastor Peter Hüttemann und Wolfram Stauffer, nicht als Kapitulierer, haben sie doch an dem Tabu-Thema „Sonntagsgottesdienst“ gerüttelt. Das Echo auf „Putsch-“ und „Umsturz-Pläne“ sei bundesweit – und nicht nur in Kirchenkreisen – gewaltig gewesen. Aber gerade ältere Gemeindemitglieder hätten „inständig“ darum gebeten, auf den sonntäglichen Kirchengang nicht verzichten zu müssen. Hüttemann: „Und darum machen wir das auch, egal, wieviele Besucher kommen.“

Gegen die Altonaer Erneuerer waren vor allem die Kirchentraditionalisten Sturm gelaufen. Aus dem Nordelbischen Kirchenamt in Kiel war zu hören: „Sonntags kein Gottesdienst – kommt nicht in Frage!“ Und auch Hamburgs Bischöfin Maria Jepsen, die gern mit Ernesto Cardenal über Befreiungstheologie philosophiert, konnte sich einen Sonntag ohne „Vater Unser und Segen“ nicht vorstellen. Jepsen: „Ich habe in Nordfriesland selbst Gottesdienste gehalten, bei denen nur vier oder fünf Christinnen und Christen anwesend waren.“

Die offizielle Gottesdienst-Statistik der Nordelbischen Kirche unterstreicht den Frust vor leeren Bänken. Danach machen sich nur 50.000 Christen in den 679 Gemeinden der nordelbischen Kirchen sonntags auf den Weg in die Gotteshäsuer. Bei 2,5 Millionen Kirchenmitgliedern sind das ganze zwei Prozent. Und nach Auffassung des Kieler Pastors Martin Hagenmaier ist diese Statistik auch noch „geschönt.“ Es gebe zahlreiche „Tricks“, so Hagemaier, die Zahlen nicht „so häßlich“ aussehen zu lassen. So lasse eine extra anberaumte Taufe an einem der sogenannten „Zählsonntage“ – die vorher feststehen – die Besucherzahlen genauso anwachsen wie der zufällig auf einen „Zählsonntag“ gelegte Auftritt eines Kirchen- oder Kinderchors. Kai von Appen