: KoKo-Boß Schalck doch noch vor Gericht?
■ Im Fall des früheren DDR-Devisenbeschaffers Schalck-Golodkowski sieht die Bundesanwaltschaft den Anfangsverdacht der Spionagetätigkeit als erwiesen an
Berlin (taz) – Die beschaulichen Tage am Ufer des Tegernsees könnten bald ein Ende haben. Die Bundesanwaltschaft sieht im Fall des früheren Devisenbeschaffers der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski jetzt den Anfangsverdacht des Landesverrates gegeben – zu „gegebener Zeit“ will die Karlsruher Behörde entscheiden, ob sie das derzeit bei der Berliner Staatsanwaltschaft anhängige Verfahren gegen Schalck an sich zieht und Anklage erhebt.
Die Karlsruher Ankläger vertreten die Auffassung, daß Schalcks gelieferte Informationen an Stasi-Minister Erich Mielke, seine Mitarbeit beim Unterlaufen des westlichen Handelsembargos und seine Lieferungen zur Weiterentwicklung des technischen Spionage-Know-hows des MfS sich letztlich nur mit der „Meßlatte des Tatbestandes der geheimdienstlichen Tätigkeit“ bewerten lassen. Schalcks vielfältige Beteuerungen, nicht im Auftrag der Staatssicherheit tätig gewesen zu sein, werden als „unglaubhaft“ zurückgewiesen.
Die Karlsruher Behörde stützt sich in ihrer Wertung auch auf Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND). Ende 1981 war der Geschäftsführer der ASIMEX, einer Firma aus dem Schalckschen Imperium Kommerzielle Koordinierung (KoKo), Günter Asbeck, in die Bundesrepublik übergelaufen und von BND-Mitarbeitern eingehend befragt worden. Im September 1992 machte nun der Pullacher Geheimdienst die Aussagen des mittlerweile verstorbenen Asbeck den Bundesanwälten zugänglich.
Ein Ergebnis: Schalck unterhielt enge dienstliche und persönliche Kontakte zu führenden Offizieren des Spionagedienstes HVA, darunter zu dessen Leiter Markus Wolf und dessen Stellvertreter Hans Fruck. Einmal im Jahr, so Asbeck zum BND, habe Schalck in der KoKo-Zentrale auch die „Jahresaufgabenstellung“ des HVA- Chefs Wolf referiert.
Darüber hinaus konnte sich auch ein von der Bundesanwaltschaft nach der Wende vernommener hochrangiger Stasi-Mitarbeiter an Berichtsfragmente über Gespräche erinnern, die mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten Strauß über Waffensysteme der Nato und die gerade laufende Nachrüstung geführt wurden. Der Offizier identifizierte ein Berichtsfragment als Bericht über die „Einschätzung von Franz Josef Strauß“ – Autor: Schalck. Der Stasi-Mann glaubte dem Bericht auch entnehmen zu können, daß Schalck bei dem Gespräch „mit Abhörtechnik“ gearbeitet haben muß. Der Ex-Devisenbeschaffer, militärtechnisch nicht bewandert, hatte die Fachbegriffe mitunter etwas holprig, aber doch korrekt wiedergegeben. Wolfgang Gast
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