■ Neu im Kino 46: Die Verschwörung der Kinder
Neu im Kino 46
Die Verschwörung der Kinder
Babies kommen aus dem Nirgendwo. Und bevor sie geboren werden, wissen sie alles. Aber später dann, bei ihrer Geburt, legt ein Engel ihnen den Finger auf die Lippen und die Kleinen verlieren ihre gesamte Weisheit.
So unerwartet wie Luftblasen aus ozeanischer Tiefe treten verquaste Bilder vom pränatalen Ego an die Oberfläche der Filmgeschichte „Die Verschwörung der Kinder“ — und zerplatzen beim nächsten Filmschnitt. Wir stürzen unversehens in die nächste Szene — das macht es extra schwer, dem Fluß der Erzählung zu folgen.
Dabei bietet die Idee zum Film von Marion Hänsel (Regie und Drehbuch) genug Stoff für eine Kommödie oder sogar eine Satire auf die Welt, in der wir leben: Die Babies verweigern sich der Geburt. Und die französisch-spanisch-belgische Herkunft des Films macht Hoffnung auf Leichtigkeit.
Aber nein. Die Folgen einer nächtlichen Vereinigung im steckengebliebenen Fahrstuhl und die gute Hoffnung der erfolgreichen Journalistin Maria (überzeugend: Carmen Maura) werden ohne jede Fiktion allzu realistisch portraitiert, mit dem Fokus starr auf der Mutter-Kind-Einheit.
Als „schönen Zufall“ will die Mutter den störrischen Winzling im Leib zum Leben überreden. Und sie philosophiert gleich weiter: „Aber was ist schon Zufall?“ Das darf sie — schließlich handelt der Film von menschlichen Seinsfragen. Und das Kind-in-Spe hat selbst Schuld, wenn es sich sowas anhören muß: Schließlich schlürft es schon 42 lange Wochen Muttis Fruchtwasser (das hat der Gynäkologe per orangerotem Ultraschall dokumentiert) und nun wird es langsam bedrohlich. Die Mutter muß das Kleine zum Leben überreden, denn eine eingeleitete Geburt würde den Tod bedeuten: Weil die Föten der Welt sich im besagten Nirgendwo verschworen haben, nicht auf diese dreckige Welt zu kommen. Gut, daß die Mutter Journalistin ist und den Skandal der pränatalen Verweigerung als weltweites Phänomen erkennt: Die Menschheit ist bedroht.
An dieser Stelle hätte der Film spannend werden können — oder lustig. Der Bauch hätte schrumpfen können, die Mütter sich verbünden ... es ist ja nur ein Film. Aber wir haben nicht unzählige nächtliche Gespräche zwischen der Mutter und dem kleinen Würmchen mit angehört und sind dem intrauterinen Dialog ins Orangerot der Gebärmutter gefolgt, um am Ende der Angelegenheit ohne eine gute Wendung dazustehen — wie's schon zu befürchten stand. Es siegt die Mutterliebe: An der bretonischen Steilküste vermischen sich tosende Gischt und Babygeschrei zum Konzert, das die Nachwelt retten soll — mit Kindern eben. Und sonst bleibt alles wie es war. ede
Kino 46, Do. u. Sa. — Di. um 20.30 Uhr
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