Polizei verhinderte Räumung von Besetzern

■ Verkehrte Welt in der Kastanienallee

Wenn der Eigentümer aus seinem Haus Besetzer hinauswerfen will, kommt ihm in der Regel die Polizei zu Hilfe. Gestern war es umgekehrt: Ordnungshüter halfen den Besetzern der Kastanienallee 77 im Prenzlauer Berg, einen vom Hausbesitzer geschickten „Räumungstrupp“ vor die Tür zu setzen. Nach Darstellung der Bewohner drang gegen 6 Uhr ein 40köpfiger Bautrupp in das Haus ein, riß die Bewohner aus dem Schlaf und teilte ihnen mit: „Wir kommen im Auftrag des Eigentümers, um zu räumen.“ Dann hätten die „engagierten Schläger“ vier Türen mit Rammböcken aufgebrochen und Hab und Gut vor die Tür gebracht.

Die Bewohner, die sich die „Vereinigten Varben Wawavox“ nennen, konnten weitere Zerstörungen nur durch die herbeigerufene Polizei verhindern. Die Staatsmacht habe den Rechtsanwalt des Eigentümers sowie dessen Handlanger vom Grundstück verwiesen. Ein Sprecher der Polizei bestätigte der taz, daß gegen die morgendlichen Eindringlinge nun wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch ermittelt werde. Die Besetzer haben Anzeige erstattet.

Trotz mehrmaliger Nachfrage der taz ging der Besitzer, die Berliner Treuwert GmbH, nicht auf die Vorwürfe der Bewohner ein. Mitarbeiter Michael Stober sagte nur, daß Haus hätte gestern winterfest gemacht werden sollen. Neben 21 Wohnungen seien eine Gaststätte und in einer ehemaligen Fabrikhalle im Hinterhof sieben Räume für Gewerbebetriebe geplant. Gegen die Besetzer sei eine Räumungsklage anhängig.

Die „Vereinigten Varben Wawavox“ sagten dagegen, daß sie seit der Besetzung im Juni vergangenen Jahres sämtliche Fenster erneuert, Öfen gesetzt und Dächer geflickt hätten. Trotz eines höheren Angebots ihrerseits sei das Haus im April dieses Jahres an die Treuwert verkauft worden. Sämtliche Versuche, mit dem neuen Eigentümer Hans Kirchenbauer ins Gespräch zu kommen, seien gescheitert. Die Besetzer nutzen das Haus unter anderem für Kunstausstellungen. Dirk Wildt