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Jetzt warten alle auf Lech Walesa

■ Bauernpartei-Chef Waldemar Pawlak soll neuer polnischer Premier werden

Warschau (taz/AP) – Der Vorsitzende der polnischen Bauernpartei, Waldemar Pawlak, soll neuer Ministerpräsident Polens werden. Darauf einigten sich gestern in Warschau die beiden Sieger der Parlamentswahl vom 19. September, die Demokratische Linksallianz SLD und die Bauernpartei.

Der 33jährige Pawlak war bereits im vergangenen Jahr für kurze Zeit Ministerpräsident gewesen. Nach der Berufung durch Staatspräsident Lech Walesa konnte er sich jedoch damals nur 33 Tage im Amt halten, da es ihm nicht gelang, eine Regierung zu bilden. Die Koalitionsparteien unterbreiteten ihren Vorschlag Walesa, der Pawlak noch offiziell berufen muß. Der Staatspräsident hatte jedoch verlangt, daß ihm drei Kandidaten vorgeschlagen werden sollen. Beobachtern zufolge will Walesa offenbar nicht die Verantwortung für eine linksgerichtete Regierung übernehmen. Sollte Walesa in den nächsten zwei Wochen Pawlak nicht mit der Regierungsbildung beauftragen, kann der Sejm die Initiative ergreifen. Die erste Sejm-Sitzung findet heute statt.

Aus den Wahlen waren die SLD und die Bauernpartei als die Sieger hervorgegangen. In der Linksallianz sind vor allem ehemalige Kommunisten tätig, die nun eine sozialdemokratische Politik verfolgen. Die Bauernpartei zählte vor der „Wende“ zu den Verbündeten der Kommunisten. – Die Parteien hatten sich im Rahmen der Koalitionsverhandlungen generell darauf geeinigt, die Wirtschaftsreformen fortzusetzen und sich verstärkt um soziale Sicherheit zu bemühen. Während die SLD sich vor allem für Rentner und Arbeitslose verantwortlich fühlt, will die Bauernpartei sich besonders um die Landwirte kümmern, bei denen sie auch hauptsächlich Unterstützung findet.

Die Wahlsieger hatten seit September über eine Koalition verhandelt und später auch die aus der Gewerkschaftsbewegung Solidarność hervorgegangene linksgerichtete Arbeiterunion mit an den Verhandlungstisch gebeten. Kurz vor Abschluß der Verhandlungen war diese gestern jedoch ausgeschieden, da ihr Antrag abgelehnt worden war, die Privatisierungspolitik der Regierung zu verlangsamen. Damit fehlen der Koalition vier Stimmen zu der Zweidrittelmehrheit, die nötig ist, um die Verfassung zu ändern und das Veto des Präsidenten zu überstimmen.

Lange strittig war außerdem die Frage des zukünftigen Parlamentspräsidenten. Da der Kandidat der Bauernpartei schließlich verzichtete, ist der Weg frei für die Wahl eines SLD-Vertreters. Nach der Verfassung vertritt der „Sejmmarschall“ den Präsidenten, wenn dieser an der Ausübung seines Amtes gehindert wird. Daß dieses Amt nun dem Linksbündnis zufällt, stellt einen Ausgleich dafür dar, daß die Bauernpartei den Premier stellt, obwohl sie nach dem Bündnis nur zweitstärkste Partei ist. bach

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