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„Für eine linke Strömung“

■ Neun Gruppen denken unter dem Namen „Fels“ über eine linke Neugründung nach

taz: Ihr ruft als Gruppe „Fels“ in eurer Zeitschrift „Arranca!“ zum Aufbau einer neuen linken Organisation auf. Was heißt das?

Fels: Wir verstehen darunter nicht den Neuaufwasch eines kommunistischen Parteienmodells. In einer Organisation, wie wir sie anstreben, muß Platz sein für unterschiedliche Strömungen. Anders als in den 80er Jahren unter den autonomen und sozialen Bewegungen wollen wir aber eine verbindlichere Struktur. Unsere Erfahrungen sind, daß sich dort die Diskussionen nicht aufeinander bezogen haben und kaum Lernprozesse gemacht wurden.

Wo soll die neue Organisation politisch verortet werden?

Zunächst können wir gar nicht sagen, ob es eine solche Organisation geben wird. Es ist bisher der Versuch, auf dem Weg dahin einen Diskussionsprozeß herzustellen. Politisch müßte eine Organisation widerspiegeln, was sich in ihr an Gruppen versammelt – von Gruppen, die aus einer ökösozialistischen Vergangenheit kommen, über Leute, die früher einmal bei der SDAJ waren, bis zu solchen, die sich als Autonome oder Antiimperialisten begriffen haben. Sozusagen ein antiautoritäres Spektrum links von Grünen und PDS.

Ein neuer Versuch, eine Systemopposition aufzubauen?

Man sollte vorsichtig sein mit so großen Worten. Es ist der Versuch von neun verschiedenen Gruppen. Aber es geht schon darum, eine gesellschaftlich wahrnehmbare systemoppositionelle Linke wieder aufzubauen ...

... mit den alten Auseinandersetzungen um die Gewaltfrage?

Für uns stellt sich die Frage so nicht. Wir müssen einen politischen Zusammenhang herstellen und als offene Organisation ansprechbar sein. Das bedeutet aber nicht, daß wir uns davon abgrenzen, wenn andere Menschen andere Kampfformen entwickeln. Die Diskussion über die Gewaltfrage ist den Grünen und den sozialen Bewegungen in einer ziemlich idiotischen Weise aufgezwungen worden. Sie war absurd, weil die ganzen Formen struktureller Gewalt außen vor gelassen wurden. Man kann ja die Gewaltfrage diskutieren. Dann muß man aber auch die strukturelle Gewalt ablehnen, also Gewalt am Arbeitsplatz, in der Kindererziehung, gegen Frauen in der Ehe. Das wird aber nicht thematisiert.

Hat eine Organisation, wie sie euch vorschwebt, überhaupt die Möglichkeit, gesellschaftsverändernd Einfluß zu nehmen?

Wir müssen unsere Erfolgsabsichten niedrig hängen. Wir haben aber bemerkt, daß wir Menschen erreichen, die nicht in der linken Szene zu Hause sind, die höchstens an ihrem Rand stehen. In diesem Sinne ist die Situation nicht so perspektivlos, wie vielerorts getan wird.

Die RAF hat nach ihrer Deeskalationserklärung vom April letzten Jahres vom „Aufbau einer sozialen Gegenmacht von unten“ gesprochen. Ihr nennt euer Projekt „neue linke Organisation“. Zwei Namen, ein Inhalt?

Man kann das so nicht beantworten, weil die RAF nicht konkretisiert hat, was sie sich unter einer „Gegenmacht von unten“ vorstellt. Unsere Überlegungen sind älter als der Schritt der RAF. Sie sind aus einer Situation heraus entstanden, die von vielen Linken ähnlich wahrgenommen wird: daß es notwendig ist, neue Formen zu entwickeln, um aus der Isolierung herauszukommen, in die sich die Linke mit ihren subkulturellen Strategien begeben hat. Deren höchster Ausdruck ist das jährliche 1.-Mai-Ritual in Berlin-Kreuzberg. Wir denken, es braucht breiter angelegte Strukturen, damit auch Menschen, die sich nicht im klassischen Sinn links definieren, wieder mitmachen können. Ob die RAF das gleiche meint, können wir nicht beurteilen – das ist auch nicht der Gradmesser für uns.

Ein Brief, der bei Birgit Hogefeld nach ihrer Festnahme gefunden wurde und in dem detailliert über ein von euch ausgerichtetes Arbeitstreffen berichtet wurde, läßt auf ein großes Interesse der RAF an dieser „neuen Organisation“ schließen.

Wir wissen nicht, ob es dieses große Interesse gibt. Man muß aber berücksichtigen, daß es nicht so viele Ansätze für eine Neubestimmung linker Politik gibt. Es gibt den Ansatz, in der antifaschistischen Bewegung, mit der „Antifaschistischen Aktion – Bundesweite Organisation“ festere Strukturen aufzubauen. Darüber hinaus sehen wir nicht viel. Das Interesse an unserem Versuch bemerken wir auch über unsere Zeitung. Dafür, daß sie kurz und mit so wenig Werbung auf den Markt gekommen ist, ist sie erstaunlich gut aufgenommen worden. Es weckt das Interesse vieler, wenn einige wenige gegen den Strom der Zeit, gegen den Zusammenbruch aller möglichen Zusammenhänge, etwas Neues anfangen wollen. Das wird wohl auch bei der RAF so sein. Es wird außerdem Leute geben, die aus politischen oder persönlichen Gründen brieflichen Kontakt mit der RAF halten. Personen, die sich entschieden haben, nicht den bewaffneten Kampf zu führen, die die Diskussion mit der RAF aber weiterhin führen wollen. Das ist politisch richtig und legitim, genau wie ihr Interesse, sich in der Diskussion um eine politische Neubestimmung einzubringen. Interview: Wolfgang Gast

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