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Paarforschung

■ “Hours“ von Ana Teixido und Arthur Rosenfeld

Es ist die alte, doch stets verschiedene Geschichte des Paares: Mann und Frau, Frau und Mann - voll widersprüchlicher Gefühle, endlosem Schweigen, falschen Worten, Blicken, Gesten und dem unbändigen Bedürfnis einander nah zu sein, begehrenswert zu sein.

Ana Teixido und Arthur Rosenfeld tanzen und spielen in ihrem Stück Hours so ein Paar: Auf nackter, schwarzer Bühne erforschen sie gegenseitig ihre Bewegungen, Annäherungsversuche und Mißtrauen – Rituale. Hours ist der dritte Beitrag aus Rotterdam beim Danceport auf Kampnagel.

Zu leichten Streicherklängen von Haydn, später abgelöst von Klarinetten und Trompetenmusik, fotografiert er sich selbst. Immer wieder wird er versuchen, ein Bild, sein Wunschbild von sich festzustellen. Sie tritt auf, und sie beginnen einander zu umkreisen. Sie wirft sich mehrfach in seine Arme. Er fängt sie auf, sie macht sich schwer und steif, so daß er sie nicht halten kann: Ein Ritual von Halten und Gehalten werden, Fallenlassen und sich Fallenlassen. Sie nimmt seinen Finger, führt diesen auf ihrem Körper herum, genießt seine Zärtlichkeit aber nur dann, wenn sie die Kontrolle darüber behält. Während er sich tänzerisch, pfauenhaft eitel entfaltet, wendet sie sich weinend ab.

Ana Teixido und Arthur Rosenfeld vertrauen auf einfache Mittel, ruhige Bewegungen mit denen sie poetische Momente und Bilder zaubern. Fast nebenbei entwerfen sie dabei zwei Figuren: Wie eine asiatische Schönheit hält sie sich zurück, verbirgt ihre Vitalität unter scheinbar ruhiger Oberfläche.

Er versucht, zu gefallen, zieht sogar Stöckelschuhe an, will der Weiblichkeit nachspüren. Mit der Kamera fährt er über seinen Körper und macht Aufnahmen, muß er sich seiner Wirkung vergewissern. Die ausbleibende Annäherung versucht er mit Worten herbeizureden. Wie ein Regisseur schreibt er detailiert vor, wie viele Schritte zu gehen sind, wann sich beide bei der Hand nehmen, anschauen, küssen. Seine Worte bleiben unerfüllt. Einmal übertönt sie ihn mit Jazz aus einem Ghettoblaster, den sie wie ein Kind in ihren Armen wiegt. Gegen Ende kommen weitere Requisiten dazu: Ein Rahmen als Schaukel, eine Rose, Spiegel und Eimer, in denen tropfendes Wasser aufgefangen wird. Beide ziehen Abendgaderobe an. Man könnte meinen, Teixido und Rosenfeld sei das Vertrauen in die Einfachheit verloren gegangen.

Doch gelingt ihnen wiederum ein magisches Schlußbild: Sie stehen einander gegenüber und fangen die beharrlichen Tropfen auf. Die verrinnende Zeit wird aufgehoben, sie waschen sich mit dem Wasser, können einen gemeinsamen Neuanfang wagen. Niels Grevsen

Heute um 22 Uhr ist in Halle 1 die DANCE PORT PARTY mit DJs aus Rotterdam und London. In Halle 2 läuft non stop eine TANZFILM-RETROSPEKTIVE von René Hazekamp. Diskutiert wird am Sonntag um 17 Uhr in Halle 2 über „Jungen Tanz in Europa“ mit Dick Hollander, Jonathan Burrows und Rica Blunck von COAX u.a.

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