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Ein Bildband zum Jemen: Die Heimat von Weihrauch und Kaffee

Vor allem das warme Licht fängt den Blick: die gedämpften Erdtöne der Landschaft und der teils verzierten Häuser aus Lehm oder Stein. Die Städte erinnern an ein Baukasten-Manhatten und das altertümliche Babylon zugleich. Hochglanzfotografien aus dem Jemen, dem alten Arabien: karge Gebirge mit grünen Ackerterrassen, die Kleider der Bäuerinnen, farbige Kleckse darauf; Blicke in den Innenraum der Häuser mit unaufdringlichem Objektiv festgehalten. Der im Verlag Das Andere erschienene Bildband „Jemen“ dokumentiert eine alte, reiche Kultur mit bestechenden Fotos. Sie zeigen die seit 1990 vereinigten beiden Teile des Jemen als ein gelungenes Zusammenspiel von Natur und Zivilisation. Eine Harmonie, die archaisch anmutet, in unserer Zeit der postmodernen Beliebigkeit und ökologischen Katastrophen. Manche dieser Bilder, die vor fünfzehn und mehr Jahren aufgenommen wurden, wird man heute nicht mehr wiederfinden. Die Kamera fängt die Traditionen ein, hält sie fest. Vor dem Betrachter enfaltet sich so ein in sich geschlossener Kulturraum. Der zerstörerische Einfluß der Moderne wird ausgeblendet.

Die Bilder von Pascal und Maria Maréchaux entstanden auf vielen Reisen des Paares in den Jemen. Die Anthropologin Dominique Champault, Leiterin der Nahost-Abteilung im Musée de l'Homme in Paris, verfaßte die Texte. Sie beschreibt die jemenitische Kultur in ihren geschichtlich gewachsenen Wesenszügen: die Beschaffenheit des Landes, den Umgang der Gärtner, Terrassenbauer und Wasserkünstler mit den natürlichen Gegebenheiten, die Architektur, das Zusammenleben der Geschlechter, den Alltag und die großen Handelsplätze, die den einstigen Reichtum des Arabia felix begründeten. Auch dem bislang als völlig unzugänglich bezeichneten Landstrich Hadramaut (siehe Reportage) mit seinen faszinierenden Städten ist ein Kapitel gewidmet.

Der anthropologische Ansatz erklärt, was der fotografische Blick einfängt. Dabei geht es immer um die Wesensmerkmale dieser Kultur und nicht um die jüngere Vergangenheit und die politische und soziale Gegenwart der vereinten Republik Jemen. Der touristische Blick, der ansonsten an der schönen Oberfläche haften bleibt, wird hier zielgerichtet zur Bestandsaufnahme, zur bewußten Dokumentation einer noch existierenden Lebensweise. So entstand kein Reisebildband im üblichen Stil, sondern ein anspruchsvolles Traditions-Kaleidoskop. Edith Kresta.

Pascal und Maria Maréchaux, Dominique Champault: „Jemen“. Aus dem Französischen von Daniela Schetar-Köthe und Hanna von Laak, Verlag Das Andere, Nürnberg, 238 Seiten mit 160 Farbfotografien und Stichen, 128 DM

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