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Unterm Strich

Wir wissen es schon lange, im Osten steht die Sonne der Kultur derzeit äußerst tief. Da wird das Berliner Schiller Theater abgewickelt und Kresnik vergrault, da werden in den neuen Bundesländern die Landestheater schneller geschlossen als die vielen Currywurstbuden auf der ehemaligen Transitstrecke. Und wenn Waigel sein Sparkonzept im nächsten Jahr umsetzen wird, dann wird man im Osten bald nicht mal mehr ein städtisches Buch ausleihen können. Trostlose Nachrichten, tägliches Produktionsgeschäft.

Nun endlich vermeldet die Tickermaschine einmal etwas Positives: Die SPD-Landtagsfraktion fordert von der Schweriner Landesregierung deutliche Veränderungen in ihrer Kulturpolitik. Nach Ansicht der Sozialdemokraten fehlt den Mecklenburg-Vorpommern vor allem ein Konzept für die Kultur im ländlichen Raum. Es gelte, so Pressesprecher Friese, das vor dem Aus stehende Landestheater Parchim zu einer derartigen Bühne auszubauen. In der Kommunalverfassung sollte auch eine „Kulturpflicht“ verankert werden. Bisher nämlich kürzen die Gemeinden und Städte vielfach zuerst bei ihren Ausgaben im Kulturbereich, da die Schaffung von Kultur bislang eine freiwillige Aufgabe sei.

Davon kann auch Einar Schleef einen Choral singen. Weil auch in der Hauptstadt das Geld an allen Ecken und Kanten fehlt, fehlt ihm jetzt die Bühne des Schiller Theaters zur Präsentation seines „Faust“- Projektes. Jetzt macht Schleef im Moloch Großstadt ländliches Theater: Unter dem Titel „Faust-Nacht“ zeigt der Mann sein Werk am kommenden Samstag um Mitternacht vor dem geschlossenen Schiller Theater. Das Projekt, so heißt es, sei bei der Polizei als Freilichtveranstaltung genehmigt. Ordentliches Preußen. Armes Preußen.

Und noch mal SPD und noch mal Kultur und noch mal der fleißige Siegfried Friese: Die Kunstverwaltung der Treuhand werde ohne den notwendigen ostdeutschen Kunstverstand betrieben, erklärte oben genannter Pressesprecher wiederum via Tickermaschine. Kein Künstler oder Kunstwissenschaftler der neuen Länder wird nämlich befragt, wenn die nach der Wiedervereinigung massenweise mit Lastwagen aus FDGB-Ferienheimen und Kulturhäusern Ostdeutschlands in den Westen verbrachten Bilder, Skulpturen und „sonstigen Kunstgegenstände“ vom Deutschen Historischen Museum München in „national bedeutend“, „regional bedeutend“ oder „unbedeutend“ eingestuft werden. Ein Skandal, finden wir armen Preußen, wenn wir auch das bayerische Kategorisierungssystem aus ordnungstheoretischen Gesichtspunkten als äußerst brillant einstufen müssen. Und finanzpolitisch genial: die zusamengeschacherten „regional bedeutenden“ und „unbedeutenden“ Werke sollen nämlich demnächst den armen Ostländern zum Rückkauf angeboten werden.

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