Flüchtlinge sind weg, Tennisplatz kann her

■ Blankenese: Asylbewerber waren nicht so schlimm, aber Ballsport ist besser     Von Sannah Koch

Ein Drahtzaun, der ein leeres Grundstück bewacht – das ist alles, was noch an die Zeiten des geballten Bürgerzorns erinnert. Die Container sind fort und mit ihnen die Flüchtlinge, die die Gemüter der AnwohnerInnen in der idyllischen Blankeneser Simrockstraße im vergangenen Herbst in Wallungen gebracht hatten. Damals hatten sie das Notlager zu verhindern versucht, hatten sich statt dessen vehement für Wohnungsbau auf dem 5000 Quadratmeter großen Nachbargrundstück stark gemacht. Rassisten wollten sie jedenfalls nicht sein, ihr Thema sei „Vernünftige Wohnbebauung, sofort“ – so war es auch auf ihren Pappschildern zu lesen. Jetzt, wo in den politischen Gremien darüber debattiert wird, ob dort künftig Wohnhäuser oder eine Tennishalle stehen soll, ist allerdings keine lautstarke Forderung nach Wohnungsbau mehr aus der Simrockstraße zu vernehmen.

Gestern morgen: geschäftiges Treiben in der Schreberkolonie „Lebenslust“. Die Herbstsonne hat die HobbygärtnerInnen ins üppige Grün gelockt – umgraben, das letzte Gemüse aus den Beeten, die Äpfel von den Bäumen holen, den Garten für den Winter klar machen. Ihre Blicke können nun wieder ausländerfrei schweifen, seit wenigen Wochen liegt das Gelände gegenüber wieder brach. Das Containerdorf – eine von zehn Notunterkünften, die im vergangenen Herbst kurzfristig aus dem Boden gestampft werden mußten – ist verschwunden, die Flüchtlinge wurden auf andere Quartiere in Hamburg verteilt.

Haben sie sich in den vergangenen Monaten bewahrheitet, die Horrorvisionen vom kinderschändenden, dealenden Schwarzen Mann, die die eilends gegründete Anwohnerinitiative damals an die Wand malte? Infotische, Protestschreiben, Klageandrohungen und erboste Besuche von Ortsausschuß-Sitzungen waren damals an der Tagesordung. Und heute: „Schwierigkeiten? Nein, keine!“ Das Wort „Problem“ scheint aus dem Sprachschatz der Nachbarn getilgt. „Wir sind gut mit denen klar gekommen.“ Der Pensionär Erwin Wendt gehörte noch im vergangenen Jahr zu denjenigen, die Schlimmes befürchtet hatten: „Wir haben Angst, daß die uns die Gärten plündern“, sagte er damals. Viele Kontakte habe man nicht gehabt, erzählt er heute, obwohl die meisten der Asylsuchenden (“sogar der Neger“) deutsch gesprochen hätten. „Manchmal haben die gefragt, ob sie ein paar Äpfel oder Birnen haben können“, so Wendt, „und ich hab' gesagt, kommt 'rüber und räumt ab.“ Sein Gartenzwerg-geschwängerter Kleingarten ist dennoch demoliert worden. Aber nicht von den Fremden, sondern von deutschen Jugendlichen. „Die sind viel schlimmer“ – neue Einsichten, neue Feindbilder des Rentners.

Mit denen steht er nicht alleine da. Auch seine Gartennachbarin fürchtet die deutschen Jugendgangs mehr als die Zuwanderer. „Das sind doch Menschen wie wir“, betont sie. Das Zusammenleben mit den Flüchtlingen sei völlig unproblematisch verlaufen, so auch ihr Bericht. Die Vorurteile der Nachbarn ringsum erklärt sie sich mit einer „Anti-Haltung“, „weil die Asylbewerber nicht als politisch Verfolgte akzeptieren.“

„Das waren ja nicht soviele Schwarze, wie wir befürchtet hatten“, meint der Schrebergärtner Heinz Stolzenberg. Vor denen hätten sich ja vor allem die Frauen in der Nachbarschaft gefürchtet. Aber in den Containern seien ja in der Mehrzahl bosnische Kriegsflüchtlinge untergebracht gewesen: „Da kann ja keiner was gegen haben!“

Ein Teil der Vorurteile scheint abgebaut, verschwunden wie auch das Pappschild „Wohnungsbau sofort“. Heute leistet man sich zu dieser Frage geteilte Meinungen: Viele der SchrebergärtnerInnen würden vor ihrer Tür jedenfalls lieber die Tennishalle des Blankeneser Sportclubs „Comet“ sehen als neue Einfamilienhäuser. Die einen, wie Erwin Wendt, versprechen sich von der Sportanlage Parkplätze, die jetzt angeblich Mangelware sind, andere stören sich an der „klobigen Bauweise“ der schon bestehenden Einzelhäuser. „Ich würde mich ärgern, wenn ich immer auf so häßliche Dinger schauen müßte,“ meint Wendts Nachbarin. Und ereifert sich dann über die herrschende Wohnungsnot.

Einzig Heinz Stolzenberg sähe lieber Wohnhäuser auf dem Grundstück gegenüber. Allerdings mehr aus ästhetischen Gründen, eine klotzige Tennishalle passe nicht ins Umfeld, und außerdem existierten in der Nähe noch genügend andere Tennisanlagen. Der Sportclub hält jedoch an seinen Plänen fest, er hat vor einigen Wochen einen Bauantrag für eine Dreifeld-Halle eingereicht.

Im Bezirksamt Altona setzt man aber inzwischen andere Prioritäten. Baudezernent Reiner Blaich: „Angesichts der Wohnungsnot scheint uns Wohnungsbau angemessener.“ Über die Zukunft des städtischen Baugrunds wird nun die Senatskommission für Umweltpolitik und Stadtentwicklung befinden müssen, Anfang November soll eine Entscheidung fallen.