: Mit dem Farbeimer gegen Siemens
■ Weiter Streit um Ansiedlung auf Uni-Ost / Initiativen wollen Sand in die Mühlen der Verfahren streuen
Carl von Linne
hätte seine helle Freude gehabt, wenn er gestern zufällig von Wolke sieben aus zur Mittagszeit auf das Bremer Siemens-Hochhaus hinabgeblickt hätte. Der Erfinder von Systematiken für die Tier- und Pflanzenwelt hätte dort nämlich rund 20 Umweltschützer beobachten können, die mit Farbe und Pinsel bewaffnet eine ganz eigene Systematik aufs Pflaster malten: Sämtliche Gräser, Pflanzen und Tiere, die auf dem von Siemens zur Bebauung vorgesehenen Gelände im Bereich Uni-Ost leben, wurden in Bild oder Schrift rund um die Bremer Siemens-Zentrale verewigt: Von A wie Aurorafalter bis Z wie Zwergstichling kreuchte und fleuchte es in wetter- und schrubbfester Farbe über's Pflaster. Allein 300 verschiedene Pflanzen, so erklärte Initiativensprecher Gerold Janssen, wachsen auf den
12 Hektar-Gelände, wo Siemens demnächst seine 13 Bremer Standorte konzentrieren will. Siemens sol dort nicht bauen dürfen, meinen die Umweltschützer. Als Argument führen sie ein Gutachten der Bremer Planergruppe Kreikenbaum u.a. an, die bereits 1988 zur Bebauung des Geländes festgestellt: „Ein Verlust der vorhandenen Qualitäten ist nicht ausgleichbar.“
Die Umweltschützer nennen den Siemens-Neubau denn auch „Todesliste von Siemens und Senat für Uni-Ost“, denn sowohl Senat als auch die Deputation für Stadtentwicklung (unter Vorbehalt diverser Prüfungen) haben der Ansiedlung zugestimmt. Damit ist das Verfahren „politisch gelaufen“, hieß es gestern aus der Abteilung für Naturschutz bei der Umweltbehörde. „Wir werden trotzdem keine Ruhe geben“, kündigte Janssen gestern an. „Wir wollen, daß Siemens sich das noch einmal überlegt. Ein schlechtes Image als Umweltzerstörer wird sich der Konzern letztlich nicht leisten können.“ Derzeit liegt der neue Bebauungsplan im Ortsamt Horn- Lehe zur Ansicht aus (bis 5.11). Die Umweltschützer hoffen auf möglichst viele Einwendungen.
Janssen selbst war gestern mit einem Rechtsanwalt bei der Behörde und hat Akteneinsicht in das Verfahren genommen. Jetzt will er mit der ihm eigenen Akribie das Verfahren juristisch abklopfen. Und da kommen einige Fallstricke zusammen. Verstoßen die Baupläne gegen die Baumschutzverordnung? Wird das Planfeststellungsverfahren nach dem Bremischen Wassergesetz reibungslos vonstatten gehen? Wird die Abteilung Naturschutz beim Umweltsenator mit ihrer gutachterlichen Stellungnahme die Abteilung Stadtplanung unterstützen? Wird der Beirat zustimmen?
Weiter gibt es Probleme bei den Ausgleichsflächen. Die Stadt Bremen hat im Blockland die entsprechenden Flächen, aber an der falschen Stelle. Jetzt muß mit den Blockländer Bauern getauscht werden: 6,5 von 60 ha für einen Vogelrastpolder hat die Behörde als Angebot vorliegen.
Siemens-Sprecher Andreas Panten von der Niederlassung in Hamburg blieb gestern gelassen. „Wir wollten nicht die eine bestimmte Fläche, sondern wir wollten irgendeine und haben die von der Wirtschaftsbehörde bekommen.“ Zu den Argumenten der Umweltschützer mochte er sich nicht äußern: „Das kann ich fachlich nicht beurteilen. Ich habe aber an der Bremer Uni studiert, für mich war das im wesentlichen ein Trampelpfad zum Wohnheim mit Hundeklo.“ mad/Foto: Katja Heddinga
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen