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Feuer bitte! Von Mathias Bröckers

Daß Rauchen Herz- und Gefäßkrankheiten und Krebs verursachen kann und das Lungenkrebs- Risiko deutlich erhöht, weiß inzwischen jedes Kind. Und doch haben die suchterzeugenden Glimmstengel auch ihre guten Seiten: Der blaue Dunst kann durchaus gesundheitsförderlich sein und vor einigen heimtückischen Krankheiten schützen.

Die Parkinsonsche Krankheit etwa tritt bei Rauchern sehr viel seltener auf als bei Nichtrauchern, ähnliches gilt auch für die Alzheimersche Krankheit, rheumatische Arthritis, Darmgeschwüre und bestimmte Krebsarten.

Die gesundheitsfördernden Effekte des Rauchens fielen erstmals bei einer Untersuchung amerikanischer Militärveteranen in den sechziger Jahren auf: Raucher litten nur halb so oft an Parkinsonscher Krankheit wie Nichtraucher. Mitte der achtziger Jahre wurde ein ähnlicher Effekt für die Alzheimersche Krankheit gefunden, bei einer Studie zeigten sich Raucher zu 70 Prozent weniger anfällig für die schleichende Gehirnkrankheit. Seitdem suchen die Forscher nach einer Theorie, um die vorbeugende Wirkung des Tabakrauchs zu erklären.

So interessiert man sich in der Alzheimer-Forschung für die Fähigkeit des Nikotins, die Aufmerksamkeit und die Informationsverarbeitung des Gehirns zu verstärken: „Es gibt etwas im Zigarettenrauch, im Nikotin, das in direktem Zusammenhang mit der Art und Weise steht, in der Gehirnzellen absterben“, so Peter Whitehouse, Direktor des Alzheimer-Centers der Universität Cleveland. Es fördert die Zellen zwar nicht, „aber es hält sie davon ab zu sterben“. Bei der Parkinsonschen Schüttellähmung, die vermutlich von Umweltgiften ausgelöst wird, sehen einige Forscher einen ähnlichen Effekt: eine Substanz im blauen Dunst, die vor diesen Giften schützt und den Ausbruch der Krankheit verhindert.

Obwohl die Befunde über die möglichen gesundheitsfördernden Eigenschaften des Tabakrauchs seit langem vorliegen, verläuft die Erforschung schleppend. „Wenn dieselbe Information über eine andere Substanz bekanntgeworden wäre, hätte dies schon vor einem Jahrzehnt Schlagzeilen gemacht“, zitiert der New Scientist (Nr.1894, vom 9. Oktober 1993) einen Experten.

Den Grund für dieses lauwarme Interesse benennt der schwedische Nikotinforscher Karl Fagerström: „Wenn ich mit Neurologen über die Behandlung von Parkinson-Patienten mit Nikotin spreche, wollen sie es nicht glauben. Sie können sich nicht vorstellen, etwas zu verschreiben, was sie für eine schmutzige Droge halten.“

Selbst die mächtige Tabakindustrie unterstütze die Erforschung nur äußerst zögerlich, weil sie befürchte, daß dadurch das suchterzeugende Potential des Nikotins weiter bestätigt wird. Insofern könnten mangelnde Forschungsgelder durchaus dafür sorgen, daß die heilenden Kräfte des giftigen Rauchs noch weitere Jahrzehnte ein offizielles Schattendasein führen. Die gute Nachricht für Nikotinsklaven – was hilft's, Krebs und Infarkt zu entgehen, um statt dessen von Alzheimer und Parkinson erwischt zu werden – bleibt unter Verschluß. Was wären das auch für Packungsaufschriften? – Der Gesundheitsminister: Rauchen gefährdet und schützt ihre Gesundheit!

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