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Militärs rufen den Heiligen Vater

■ Neue Vorschläge der Junta in Haiti ohne Resonanz / Seeblockade tritt heute in Kraft / Lebensmittelpreise steigen sprunghaft an / US-Regierung erwägt weiter Militäraktion im Karibikstaat

Port-au-Prince (wps/IPS/AFP) – Wenige Stunden vor Beginn der gegen Haiti verhängten internationalen Seeblockade haben die Militärherrscher die Bildung einer Allparteienregierung unter Beteiligung des Militärs, neue Verhandlungen und die Berufung von Papst Johannes Paul II. als Vermittler in dem Konflikt vorgeschlagen. Der Ruf nach dem Heiligen Vater ist verständlich: Nach dem Putsch 1991, der den demokratisch gewählten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide ins Exil trieb, war der Vatikan der weltweit einzige Staat gewesen, der die Militärregierung anerkannt hatte.

Nach Einschätzung von Diplomaten zeigen die Vorschläge die krasse Fehleinschätzung der Lage seitens der Militärs. Internationale Mächte wollen mit der Junta nicht mehr handeln: An der Seeblockade, mit der das Öl- und Waffenembargo gegen Haiti erzwungen werden soll, beteiligen sich nun neben den federführenden USA auch Frankreich, Kanada und Argentinien. Die UNO fordert von den Militärs, sich an den im Juli ausgehandelten Friedensplan zu halten, der die Rückkehr Aristides und seine Wiedereinsetzung in das Präsidentenamt für den 30. Oktober vorsieht.

Die Lage in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince war gestern gespannt. Auf Straßen und Kreuzungen patroullierten bewaffnete Soldaten. Aus Angst vor Unruhen versteckten sich viele Bewohner in ihren Häusern, andere flüchteten in die Provinz. Die Preise für Lebensmittel sind sprunghaft in die Höhe gestiegen.

Die US-Regierung schließt auch weiterhin einen direkten Militäreinsatz in Haiti nicht aus. „Es leben in dem Land ungefähr tausend Amerikaner und weitere 9.000 Leute mit Doppelstaatsbürgerschaft. Es ist unsere Aufgabe, diese US-Bürger zu schützen“, erklärte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Madeleine Albright.

Innenpolitisch würde Präsident Clinton jedoch mit einer Militäraktion auf Widerstand stoßen: Senator Bob Dole hat einen Gesetzentwurf angekündigt, der die Macht des Präsidenten beschneiden soll, Truppen ohne parlamentarische Zustimmung nach Haiti zu entsenden. „Ich würde keine amerikanischen Leben riskieren, um Aristide zurück an die Macht zu bringen“, sagte Dole.

Auch in der Region wäre eine bewaffnete US-Intervention in Haiti umstritten: Die Regierungen Mexikos und Venezuelas unterstützen zwar ausdrücklich die UNO-Sanktionen, lehnen aber Aktionen „eines einzelnen Landes“ ab. Edwin Carrington, Generalsekretär der 13 Staaten umfassenden Karibischen Gemeinschaft (Caricom), ließ dagegen durchblicken, daß er eine militärische Lösung als letzten Ausweg aus der Krise für denkbar hält.

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