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Sir Charles schaukelt wieder

Der Auftritt der Phoenix Suns beim Turnier in München ist ein weiterer Schritt zur universellen Aufwertung des Basketballs  ■ Aus München Matti Lieske

Als sich die deutsche Basketball-Nationalmannschaft Anfang Juli in München anschickte, den Europameistertitel zu gewinnen, dachten die meisten Fans in der Halle längst an ganz was anderes: das internationale Turnier im Oktober mit den Phoenix Suns und Olympias Superstar Charles Barkley. „Alle fragen, ob Barkley kommt. Keiner erkundigt sich nach den Klubs“, stellte Wilfried Spronk vom Organisationskomitee fest. Real Madrid, Limoges, Leverkusen, Bologna, São Paulo, völlig wurscht, Hauptsache, „Sir Charles“ ist fit. Die meisten Basketball-Liebhaber in Europa sind eben in erster Linie an der NBA interessiert.

Genau dies wollen der Basketball-Weltverband FIBA und die NBA ändern. Die NBA bommt global, Michael-Jordan-T-Shirts sind der Renner von der tunesischen Wüste bis zum Amazonas, diesen Trend wollen sich die beiden Verbände zunutze machen, um Popularität und Finanzen nachhaltig zu mehren. Ihr erklärtes Ziel ist es, das meistbetriebene Spiel der Welt auch zum Weltsport Nummer eins zu machen. Das Turnier mit dem hübschen Namen „McDonald's Open“ ist neben Gastspielen von NBA-Klubs in Mexiko-Stadt, Puerto Rico oder London ein wichtiger Pfeiler dieser Kampagne, soll künftig alle zwei Jahre ausgetragen werden und sich zu einer echten Weltmeisterschaft für Klubmannschaften entwickeln.

Als sich FIBA-Präsident Boris Stankovic und NBA-Commissioner David Stern 1984 zum erstenmal trafen, war dies fast ein Sakrileg. Die beiden Verbände waren streng miteinander verfeindet und wahrten absolute Distanz. „Damals hielt die Mehrheit bei uns alle Profis für Kriminelle“, erinnert sich Stankovic. Das konspirative Treffen in einer Mailänder Hotelhalle stellte jedoch die Weichen für eine Entwicklung, die 1992 in der Teilnahme des Dream Teams bei Olympia gipfelte und nebenher auch die McDonald's Open hervorbrachte. 1987 spielten die Milwaukee Bucks in Milwaukee gegen die sowjetische Nationalmannschaft und ein Team aus Mailand, seitdem hat bei den Turnieren in Madrid (1988), Rom (1989), Barcelona (1990) und Paris (1991) das jeweilige NBA-Team noch nie verloren. Immerhin wurden die Denver Nuggets von Jugoplastika Split, die New York Knicks von Scavolini Pesaro und 1991 die Los Angeles Lakers, zum letztenmal mit Magic Johnson, von Joventut Badalona in die Verlängerung getrieben, wobei zu berücksichtigen ist, daß es sich für die amerikanischen Klubs lediglich um harmlose Trainingsspielchen in der Vorsaison handelt.

Die Einführung der Europaliga mit den 24 besten Teams, die für 1996 geplant ist, soll die Entwicklung hierzulande weiter vorantreiben, die Zusammenarbeit zwischen NBA und FIBA weiter verstärkt werden. Zwar spielen immer mehr europäische Spitzenspieler – nun auch Toni Kukoc bei den Chicago Bulls – in der NBA, umgekehrt kommen jedoch nur Veteranen nach Europa, die ihre besten Zeiten hinter sich haben und einen geruhsamen Ausklang ihrer Karriere suchen. Stankovic ist sich zwar im klaren, daß er solch hochgehandelte College-Cracks wie Chris Webber, Jamal Mashburn oder Anfernee Hardaway kaum daran hindern kann, schnurstracks in die NBA zu wechseln, möchte jedoch wenigstens erreichen, daß eine erkleckliche Anzahl exzellenter Spieler nach ihrer Collegezeit erst mal ein Jahr in Europa spielt, bevor sie zu den amerikanischen Klubs wechselt.

Ein anderes Ziel der FIBA- NBA-Connection ist die Aufwertung der WM. „Wir wollen, daß sie über einen langen Zeitraum hinweg jenen Status bekommen, den die Fußball-Weltmeisterschaften haben“, postuliert David Stern. Nächster Schritt dazu ist das Dream Team II, das bei der WM 1994 in Toronto an den Start gehen wird und das im wesentlichen aus Spielern besteht, die den Sprung nach Barcelona knapp verpaßt haben. Voraussetzung für eine echte Aufwertung der WM ist jedoch eine Leistungssteigerung vor allem der Europäer, die sich Stern von der Europaliga erhofft. „Die Europäer kommen uns zwar immer näher“, konstatiert Charles Barkley, „aber die amerikanischen Spieler sind immer noch die besten Basketballer der Welt.“

Die Annäherung der beiden Basketballsysteme wirft indes noch ein weiteres Problem auf: die Regeln. „Ich glaube, wir werden noch zu meinen Lebzeiten standardisierte Regeln haben“, ist sich Don Nelson sicher, der Coach der Golden State Warriors, der auch das Dream Team II betreut. Realistisch betrachtet, kann das nur heißen, daß die NBA-Regeln weltweit übernommen werden, was gravierende Änderungen vor allem im Abwehrsystem und bei der Spieldauer bedeutet. „Wir würden schon 1994 unsere Topwettbewerbe gern in vier Vierteln spielen“, sagt Lubomir Kotleba von der FIBA, „aber es gibt eine Menge Widerstand.“

Auch hier ist das Münchner Turnier ein Experimentierfeld. Es wird in vier Vierteln gespielt, ansonsten müssen sich Barkley und Kontrahenten ein kompliziertes Kompromiß-Regelwerk einpauken. Dan Majerle (Suns) kann sich freuen, er darf beim Dreipunktewurf einen halben Meter näher ran. Das Gegenteil gilt für Leverkusens Distanzwurf-Spezialisten Michael Koch. Die Zeit für einen Angriff beträgt, wie in der NBA, 24 statt 30 Sekunden, dafür ist die Zonenverteidigung der FIBA gestattet. Ungeregelt bleibt die Hängezeit am Korb. Charles Barkley darf nach seinen Dunkings so lange schaukeln, wie er will.

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