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■ Zur Tagung der Nato-VerteidigungsministerRenationalisierung im Osten

„Schlanker, aber gemeiner“ sei er inzwischen, „ganz wie die neuen Strukturen der Nato-Streitkräfte“. Die als Scherz gedachte Bemerkung, mit der Manfred Wörner im Kurhaus von Travemünde in eitel-obszöner Pose offiziell seine schwere Krebskrankheit bekanntgab, legt natürlich einen anderen Vergleich nahe: die Nato ist dem Ende nahe wie ihr oberster Repräsentant.

Die leeren Formelkompromisse im Kommuniqué dieser 54. Verteidigungsministertagung, können diese Tatsache nicht übertünchen. Zum Thema Jugoslawien/Bosnien wurde nur mühsam der Schein der Einigkeit gewahrt. Daß die Allianz seit Beginn des Balkan-Konflikts Fehler gemacht hat, wurde zwar in allgemeiner Form zwar eingeräumt. Eine genauere Benennung dieser Fehler und die Diskussion ihrer Ursachen unterblieb jedoch. Denn dabei wären politische Interessengegensätze zwischen den USA und Westeuropäern sowie unter den Westeuropäern deutlich geworden. Bezüglich Luftangriffen auf serbische Stellungen um Sarajevo gab es unter den fünfzehn Verteidigungsministern nicht einmal einen Konsens darüber, was denn eine „Strangulierung“ der bosnischen Haupstadt ausmacht. Und noch vor Abschluß der Tagung wollten hohe Nato-Offizielle ihre Pension darauf verwetten, daß es zu der von Verteidigungsminister Aspin in Aussicht gestellten Beteiligung der USA an einer Nato-Truppe zur Überwachung eines etwaigen Bosnien-Abkommens nicht kommen wird.

Am deutlichsten wurde der innere Zerfall der Allianz beim Thema Osterweiterung. Die jetzt unter der schönen Formel „Partnerschaft für den Frieden“ ins Auge gefaßten Maßnahmen, die der Nato-Gipfel im Januar ohnehin erst noch formal absegnen muß, gehen in der Substanz nicht über das hinaus, was im 1991 etablierten „Nato-Kooperationsrat“ ohnehin bereits stattfindet. Und dieser Kooperationsrat wird in Warschau, Prag oder Budapest zunehmend als Spielwiese empfunden, mit der die westliche Allianz sich die früheren Warschauer-Pakt-Staaten auch weiterhin auf Abstand halten will.

Jegliches Angebot der Nato an osteuropäische Staaten jedoch, das unterhalb der Ebene von Sicherheitsgarantien bleibt, wird in diesen Staaten die ohnehin schon besorgniserregende Tendenz zur Renationalisierung der Sicherheitspolitik verstärken — inklusive vermehrter Ressourcenverschwendung für nationale Streitkräfte und Waffensysteme. Dies dürfte mittelfristig auch zu verstärkten Bedrohungswahrnehmungen zwischen den osteuropäischen Staaten führen. Zumal die Nato differenziert zwischen den Reformstaaten katholisch-protestantischer Provenienz (Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei) einerseits und den orthodoxen Ländern (Rußland, Bulgarien und Rumänien) andererseits. Damit werden im Zuge des Balkankrieges wieder aufgebrochene kulturell- religiöse Konflikte weiter angeheizt. Einen Ausbruch aus dieser Negativentwicklung könnte nur ein völlig neuer Ansatz bieten, der seit dem historischen Umbruch des Jahres 1989 ansteht: die Etablierung einer gesamteuropäischen Sicherheitsinstitution im Rahmen der KSZE oder aber zumindest die sofortige Aufnahme aller osteuropäischen Staaten (inklusive Rußland und der Ukraine) in die Nato jetzt und mit allen Rechten und Pflichten. Für die eine oder die andere Variante werden sich die 16 Nato-Staaten sehr bald entscheiden müssen. Als weiterhin rein westliche Militärallianz dürfte sie ihren derzeitigen Generalsekretär ansonsten kaum überleben. Andreas Zumach

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