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Wer beim Surfen abklatscht, ist gleich hinüber

■ Die Oslebshauser „Breakdance Factory“ über das Sprayen, das Surfen an fahrenden Autos, das eigene Leben und den fremden Tod

Die „Breakdance Factory“ rappelt seit zweieinhalb Jahren im Bürgerhaus Oslebshausen. Im Saal zwischen dem Flötenkreis und der Seniorenruppe treffen sich einmal wöchentlich 20 Mädchen und Jungen von der Vahr bis Vegesack zum „Training“, wie ihr Chef Silvano sagt: Geübt wird alles, was am Hiphop Spaß macht. Breakdancer, Graffitiwriter, Bahn-Surfer und Rapper haben hier ihr Domizil gefunden. Heute wollen sie es dem Rest der Szene zeigen: Zum zweiten Jam am Platze werden Writer und Tänzer aus halb Norddeutschland erwartet. Eine heimische Surfer-und Writing-Gruppe erklärte der taz, wo's langgeht.

taz: Warum hat es eigentlich noch kein Graffiti- Sprayer geschafft, den neuen ICE zu machen?

K R ONE: Weil die Fenster da nicht aufgehen. Die gehen nur zu kippen.

Antonio: Und die Treppen klappen sich automatisch ein, da kann man sich nirgends festhalten. Da bräuchte man schon spezielle Saugnäpfe.

Von der City-Bahn hingegen fährt ja kaum noch ein Wagen ohne Graffiti durch Bremen. Malt ihr lieber auf rollende als auf stehende Wände?

K R ONE: Klar, da kriegt man besseres Fame. Gut ist auch, mehr an der Line zu sprühen, direkt an der Eisenbahnstrecke, wo der Zug langfährt. Da sehen es ziemlich viele Leute. Wenn man das irgendwo in den Wicken macht, kann es zwar gut sein, aber es sieht eben keiner.

Ihr kommt fast alle aus der Vahr; habt ihr da bestimmte Plätze, die ihr mit Graffitis besprüht?

K R ONE: Nein, wir sprühen überall in der Stadt. Meistens treffen wir uns am Bahnhof, und dann gehen wir mit den Cans durch die Gegend.

Wie wählt ihr eure Plätze aus? Sagt ihr: Hier sieht es besonders beknackt aus, hier muß noch was hin?

K R ONE: Nein, das geht danach, wo das meiste los ist, damit es viele Leute sehen. Vor allem die anderen Writer sollen es lesen, man will ja bei denen bekannt sein. Was nutzt es, wenn normale Bürger es lesen?

Kommt ihr Euch nicht blöd vor, wenn jetzt alle möglichen Leute mit Baseballkappen und Sneakers rumlaufen?

Antonio: Nein, das gehört einfach zum Outfit. Man erkennt aber immer noch, wer wirklich sprüht und wer nicht.

Silvano: Am liebsten tragen wir immer noch die Old-School-Sachen, die Trainingsanzüge mit den drei Streifen dran. Dienstag hatten wir die extra angezogen, als Sie uns abgesagt haben.

Warum tragt ihr die heute nicht?

Silvano: Zu kalt draußen.

Was spüht ihr denn auf die Wände, wenn ihr unterwegs seid - Logos, Bilder, Sprüche?

K R ONE: Meistens unser tag, und dann den Gruppennamen, Fame for Breakdance Factory.

Antonio: Den Namen stylen wir meistens aber nicht ganz aus, damit das Bild gut rauskommt.

Und was ist auf euren Bildern drauf?

Antonio: Alles mögliche, Polizisten, DJs, Frauen, normaler Style, Old School Style, Züge...

K R ONE: Also, es wird was aus dem Alltag rausgenommen und dann ein bißchen verdreht, bißchen aggressiver gestylt...

Hat sich viel verändert in der Szene, seit ein Bahn-Surfer in Bremen dabei umgekommen ist?

K R ONE: Ja, seitdem reduziert sich das ziemlich. Ich hab das höchstens dreimal gemacht, seit der vor zwei Jahren abgeklatscht ist. Es fährt auch viel SOKO in den Zügen, da muß man vorsichtig sein. Seitdem nehmen viele von den Surfern Autos.

Ihr nehmt Autos? Wie meinst du das?

K R ONE: Die knacken irgendwelche Autos an der Straße auf, schließen die kurz, Fenster auf, und dann surfen die an den Autos.

Antonio: Das ist aber noch ein bißchen gefährlicher als bei der Bahn. Da gibt's ne Menge Kurven, und dann muß man beim Bremsen aufpassen.

Das Sprayen ist euch dabei scheinbar nicht so wichtig. Geht's mehr ums Surfgefühl?

Antonio: Das ist so, als ob man sich nen Joint durch die Birne knallt oder so. Aber ich steht nicht so auf Drogen. Da mache ich eben sowas. Mit Drogen macht man sich langsam kaputt. Und wenn man beim Surfen abklatscht, ist man sofort hinüber.

Wie oft hattet ihr schon Ärger mit der Bahnpolizei?

K R ONE: Wir gehen ja meistens zu sechst los. Wenn man es mit vielen Leuten macht, hat man alles unter Kontrolle. Da gibt's keine Probleme.

Würde euch das was bringen, wenn mehr legale Wände in der Stadt freigegeben würden?

Nee, das käme nicht so gut. Vor allem, wenn die freigegeben sind und dann andere kommen und da immer wieder drübersprühen.

Ist das nicht der Sinn der Sache, daß die Graffitis immer wieder übermalt werden? Macht ihr sowas nie?

K R ONE: Naja, gelegentlich schon. Zum Beispiel, wenn in der Straßenbahn die besten Plätze schon getaggt sind. Die werden dann gecrosst. Aber damit macht man sich einen schlechten Ruf bei den anderen.

Hattet ihr deswegen schon mal eine richtige Auseinandersetzung mit einer anderen Writing Group?

Antonio: Was heißt Auseinandersetzung — da muß man manchmal eben einen Battle machen. Angenommen, ich crosse jemanden, also ich sprühe sein Piece über, dann sagt er: ich will keine Keilerei, sondern uns um die Wette sprühen. Und die anderen, die autonomen Writer, unterscheiden dann, welches Piece besser geworden ist. Der Verlierer muß dem Sieger dann noch ein paar Spraydosen als Entschädigung geben. Fragen: tom

Abb.: Die „Breakdance Factory“ / Foto: Vankann

Heute ab 19 Uhr findet im Bürgerhaus Oslebshausen, Am Nonnenberg 40, ein großer Hiphop-Breakdance-Jam statt. Zu sehen gibt's 30 große Graffiti-Tafeln vom letzten Writer- Wettbewerb, eine Live-Show der Breakdance-Factory, dazu Musik von Cliff, Mario und Indssmoke.

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