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Sozialer Sprengstoff

■ Gewerkschaften protestieren vor Rotem Rathaus gegen Bonner Sparpläne

Der Regierende Bürgermeister war sich mit den protestierenden Gewerkschaftern einig: Das Sparprogramm der Bundesregierung sei in manchen Punkten „falsch“. Eberhard Diepgen versicherte gestern vor dem Roten Rathaus Vertretern des DGB und einiger Einzelgewerkschaften, das Land Berlin werde versuchen, vor allem gegen die Befristung der Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre vorzugehen. Dieter Tiebel, ein arbeitsloser Dreher, hatte Diepgen zuvor ein Paket voller „sozialen Sprengstoffs“ übergeben: 3.200 Unterschriften gegen die Sparpläne. Die Gewerkschaften wollen Berlin mit dieser Aktion dazu drängen, im Bundesrat gegen das Gesetzesvorhaben zu stimmen.

Diepgens Vorbehalte gegen die Pläne seiner Bonner Parteifreunde sind nicht ganz uneigennützig: Die geplanten Kürzungen brächten erhebliche zusätzliche Lasten für die Kommunen. Wenn die Bundesregierung Arbeitslosenhilfe tatsächlich nur noch für eine Frist von zwei Jahren bezahlt, würde der Arbeitslose danach automatisch zum Sozialhilfeempfänger. Und Sozialhilfe bezahlen die Kommunen.

Die „Endstation Sozialamt“ empfände der 54jährige Tiebel, der sich in der IG Metall engagiert, als Demütigung: „Da arbeitet man 38 Jahre, Tag für Tag, zahlt sein Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, und dann diese Diskriminierung.“ Seine arbeitslosen Kollegen von der ÖTV hatten sich in weiße Overalls gezwängt und schwenkten mannshohe Rotstifte in Richtung Rathaustür. „Natürlich muß im Moment gestrichen werden“, meinte einer, „aber doch nicht bei den Ärmsten.“ Statt dessen forderten die Gewerkschaften unter anderem eine Arbeitsmarktabgabe für Selbständige und Beamte und eine konsequente Verfolgung von Steuersündern: „Streichen bei den Reichen“ heißt ihr Rezept.

Nach der Übergabe der Unterschriften zog sich Diepgen mit Vertretern der Gewerkschaften zu einem Gespräch zurück. kai

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