: Explosion: Gas war's, aber woher?
■ Gebäudekomplex in Lokstedt zerstört / Mann in Lebensgefahr
Eine defekte Erdgasleitung ist nach Vermutungen der Polizei und Feuerwehr die Ursache für die gewaltige Explosion im Bürohaus am Offakamp in Lokstedt. Die Brandermittler fanden heraus, daß eine Versorgungsleitung, die in fünf Metern Entfernung am Haus vorbeiführt, undicht war. Nach der Polizeiversion müssen stundenlang unzählige Kubikmeter Gas in den Gebäudekomplex gezischt sein. Das explosive Gemisch soll dann durch einen Funken, der bei Aufnahmen in einem Tonstudio entstanden ist, entzündet worden sein.
Für die Gaswerke hinterläßt die Explosion hingegen viele Fragezeichen. Fakt ist zwar, daß die Versorgungsleitung an einer Stelle vor dem Haus frisch gebrochen ist. An diesem Ort haben kürzlich Baggerarbeiten stattgefunden. Gaswerkesprecher Roland Bombe gestern zur taz: „Ob die Versorgungsleitung nun durch die Explosion, durch Baggerarbeiten, durch schwere Lkws oder durch Verschleiß gebrochen ist, ist völlig unklar.“ Daher sei die Bruchstelle zur kriminaltechnischen Untersuchung eingereicht worden. Bombe: „Im Moment sind wir selbst gespannt auf das Ergebnis.“
In der Praxis gibt es laut Roland Bombe nämlich kaum Gasleitungsbrüche ohne Fremdeinwirkung - höchstens bei langer klirrender Kälte um minus 30 Grad, wenn sich das Erdreich senkt. Merkwürdig sei überdies, daß das Erdreich am Haus keinerlei Gasrückstände aufweise. Außerdem habe freiwerdendes Erdgas die physikalische Eigenschaft, nach oben zu steigen und nicht ins Erdreich zu sickern. Fest stehe allerdings, daß die Detonation durch eine gewaltige Menge Gas im Keller ausgelöst worden sei. Sollte möglicherweise ein vor zwei Wochen eingebauter neuer Gasbrenner defekt gewesen sein?
Das Unglück hatte sich - wie berichtet - am Freitag nachmittag ereignet. Die Explosionswelle war so gewaltig, daß aus allen drei Stockwerken des Bürokomplexes die Scheiben und Inventar herausgewirbelt wurden. Im Umkreis wurden über 100 Autos durch herumfliegende Gebäudeteile zerstört - der Offakamp mündet in die Automeile Nedderfeld. Sachschaden: 10 Millionen Mark.
Im Keller des Hauses war ein 24jähriger Musiker, der gerade Übungsaufnahmen machte, vom Hitzesturm 20 Meter durch die Luft geschleudert und lebensgefährlich verletzt worden. Der Mann liegt mit schweren Brandverletzungen auf der Intensivstation der Uniklinik Eppendorf.
Daß nicht mehr Menschen verletzt wurden, ist wohl reiner Zufall. Obwohl das Gas bereits den ganzen Vormittag in die Kelleräume ausgeströmt sein muß, war es glücklicherweise erst am Mittag expolodiert. Die rund 150 Beschäftigten der im Bürohaus ansässigen Firmen hatten Minuten zuvor - weil es Freitag war - Feierabend gemacht.
Kai von Appen
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