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Sandkastenspieler unter sich

Trotz Verbal-Tackling bleibt nach dem 2:2-Unentschieden zwischen der Eintracht und den Bayern vorerst alles beim alten  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Der Sandkasten ist ihr Metier: Weil Trainer Klaus Toppmöller (Eintracht Frankfurt) den Bayern kurz vor dem Spitzenspiel im Waldstadion einen gefälschten Spielerbogen in die Kabine bringen ließ, auf dem so „unbekannte Nachwuchsspieler“ wie Jay Jay Okocha und Radmilo Mihajlovic nicht vermerkt waren, sprach Trainer Erich Ribbeck (Bayern München) nach dem Spitzenspiel von „Sandkastenspielen“. Der verbalen „Spitze“ bot Toppmöller die Stirn: Mit dem Eimerchen im Sandkasten nach Punkten zu graben habe er in Kaiserslautern gelernt – als Fußballspieler unter Trainer Erich Ribbeck. Heiterkeit war (auf beiden Seiten) angesagt. Und der Mann im Maßanzug aus München und der Mann im proletarisch-sportiven Outfit aus Frankfurt gingen erst einmal zusammen „ein Bier trinken“.

Mit dem 2:2 könne er leben, hatte Ribbeck zuvor auf der obligatorischen Pressekonferenz gesagt. Geburtstagskind Ulrich Stein (39) machte dann deutlich, daß dieses Leben für die nach der Pool- Position strebenden Bayern ein schweres werden wird: „Das 2:2 war ein Punktgewinn für die Eintracht.“ Tatsächlich hatten Ribbeck und sein Manager Ulrich Hoeneß vor der hochkarätigen Partie in Frankfurt die Rechenmaschine angeworfen und schnell herausgefunden, daß die Bayern mit einem Sieg in Frankfurt und einem Sieg in München über Frankfurt in der Rückrunde der Eintracht noch die „Meisterbutter“ vom Brot kratzen könnten. Vier Punkte lagen die Bayern vor dem 13. Spieltag hinter der Eintracht – und vier Punkte liegen die Bayern auch nach dem 13. Spieltag hinter der Eintracht auf dem dritten Tabellenplatz.

Und weil sich Toppmöller und Ribbeck schon auf den „Zweikampf“ um die Meisterschale konzentrierten, griff der Kaiser mahnend ein: „Das haben wir (Bayern) schon im letzten Jahr erlebt, daß man auf der Zielgeraden von einer Mannschaft abgefangen wird, die lange im Hintergrund blieb.“ Sollte Bremen – nach Redaktionsschluß – gegen den HSV gewonnen haben, avanciert Beckenbauer zur Kassandra der Liga. Der Steinadler, den Toppmöller zum Entsetzen autonomer Tierschützer auf der Mannschaftssitzung vor dem Spiel hatte hochfliegen lassen, wird ein Auge auf die „Fischköppe“ (Fan-Schmäh) aus dem Norden werfen müssen.

An Selbstbewußtsein mangelt es Toppmöller dennoch nicht: Mit einem gesunden Anthony Yeboah würde die Eintracht mit „sechs bis zehn Punkten Vorsprung“ die Tabelle der Liga anführen. Doch Yeboah ist nicht gesund (Bänderriß im Knie). Und für „wenn und aber“ gibt's auch im Fußball nichts. Der Mann aus Ghana, den die LeserInnen der Sportzeitschrift Kicker mit Abstand zum besten ausländischen Spieler der Liga wählten, stand am Sonnabend mit dem Kicker-Pokal im Arm und mit Wehmut im Blick auf der Tartanbahn: Comeback in der Rückrunde. Die Mannschaft schwörte ihm Stein und Bein, bis dahin die Position an der Spitze der Liga zu halten.

Dafür, daß die Eintracht auch nach dem 13. Spieltag alleine die Tabelle anführt, sorgte am Sonnabend vor allem Yeboahs „Soulbrother“ Jay Jay Okocha. Mit seinem Tor zum Ausgleich (2:2) nach beeindruckendem Sololauf und Doppelpaß mit Jan Furtok war der Nigerianer – neben „König Fußball“ (Toppmöller) – der Matchwinner. Mehr als 60.000 ZuschauerInnen feierten „ihren“ Jay Jay mit Tanzeinlagen auf den Rängen. Keine Feier gab's dagegen für Matthäus, obgleich auch der „Lohdaar“ kurz vor der Halbzeit mit einem satten Fernschuß zur 2:1-Führung glänzte. In memoriam an die im Detail noch ungeklärte Auseinandersetzung des Bayern mit einem Holländer auf dem Oktoberfest skandierten die Eintrachtfans im schrägen Chorgesang: „Lothar – du Nazi!“ Die Anhänger der Bayern antworteten mit Leuchtraketen und bengalischem Feuerwerk: „Eintracht verrecke!“ Fußball kann (wie an diesem Sonnabend) so schön sein – und die sogenannten Fans sind so unsäglich blöde wie (fast) immer. Vor dem Stadion lag nach dem Spiel einer mit schwarz-roter Kutte in seinem Erbrochenen und lallte: „Deutscher Meister wird nur die SGE, nur die SGE, nur die SGE...“

FC Bayern München: Gospodarek - Matthäus - Kreuzer, Helmer - Jorginho, Schupp, Wouters, Nerlinger, Ziege - Valencia (46. Labbadia), Witeczek

Zuschauer: 60.360 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Furtok (30.), 1:1 Nerlinger (35.), 1:2 Matthäus (45.), 2:2 Okocha (63.)

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