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Japanisches Plätschern & Flüstern

■ Keine akustische Umweltverschmutzung, die uns nachhaltig belästigt: der „Klangzaun“ des Rolf Julius über die Bürgerweide

Kunst soll sich nicht vordrängeln. Sie soll „nicht in Konkurrenz mit der Architektur“ treten, kein „zusätzliches Volumen“ bilden und die Nutzung der Verkehrsflächen nicht beeinträchtigen. So wünschte es die Jury, die über die künstlerische Ausgestaltung des Pfades zwischen Bremer Hauptbahnhof und Kongreßzentrum zu befinden hatte. Der inzwischen vom Volksmund „Millionenpfad“ genannte Weg, den sich Bremen 12 oder 15 Millionen Mark kosten lassen will, wird nach der Entscheidung der Jury dem Berliner Künstler Rolf Julius überlassen, welcher mit dem dezentesten Konzept aufwarten konnte: Er will in die Lampen am Pfadrand Lautsprecher bauen, die leise plätschernde Geräusche und kleine Töne produzieren - einen „Klangzaun“.

Die Flüsterkunst auf der Bürgerweide stellt nun nicht gerade ein typisches Beispiel für Bremer „Kunst im öffentlichen Raum“ dar. Das hängt vielleicht damit zusammen, daß es sich hier nach offizieller Nomenklatur gar nicht um solche handelt, sondern um „Kunst am Bau“. Der feine Unterschied: Kunst am Bau fällt im Gegenwert von drei Prozent der Bausumme ab, wenn auswärtiges Geld anfällt — in diesem Fall über fünf Millionen aus Brüssel. Das Kunstgeld gibt dann das Bauressort aus. Baut Bremen aber ganz aus eigener Tasche, wird die Stadtverschönerung von dem eigens dafür geschaffenen Referat „Kunst im öffentlichen Raum“ vorangetrieben, das zur Kulturbehörde gehört.

Das „Referat“ war allerdings im Spiel, als für den Millionenpfad ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde: Es überreichte dem Bausenator eine Liste mit zehn Namen, darunter der Bremer Horst Müller, die Hannoveranerin Yvonne Goulbier, der Berliner Norbert Rademacher u.a. Neben eher klassischen skulpturalen Entwürfen standen auch raumgreifendere Konzepte der künstlerischen Begleitung des Pfades: Müller wollte die Lampen als Normalzeituhren strahlen lassen und den Weg mit einer verzerrten Projektion der Weltkarte zieren. Yvonne Goulbier hatte gar die Absicht, einen „künstlichen Wald“ entlang des Weges wachsen zu lassen aus fünf Meter ho

hierhin bitte die Karikatur

hen amorphen pflanzlichen Formen, „damit man die häßliche Architektur ringsum nicht so sieht“. Zu viel Konkurrenz mit der Architektur, befand die Jury hellsichtig.

Die Jury, die sich aus Behördenvertretern, Kunstfunktionä

ren, Museumsleuten und Galeristen zusammensetzte, wählte Rolf Julius für den Halbmillionen-Job aus. Der ist im Grunde ein Bremer, hat er in den 60er doch mal hier studiert; außerdem zeigt ihn Jurymitglied Thomas Deecke gerade in seiner

Weserburg. Und: Julius hat schon einmal einen lauten Platz mit seinen Klängen beglückt — den Times Square in New York. Für Bremen verspricht er reine, harmonische Klangfolgen, die, so Rose Pfister aus dem Kunstreferat, „keine Belästigung“ dar stellen, aber „eine intime Situation“ erzeugen. Das Plätschern soll von einem echt japanischen Gebirgsbach stammen.

Auf keinen Fall kann man mit Julius falsch einkaufen, wird sich die Jury gedacht haben, ist dieser doch vielfach international ausgestellt worden. Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, ob der Millionenpfad überhaupt gebaut wird — nach Intervention der Bremer Grünen und darauffolgender Debatte („Millionenpfad für Kongreßbesucher“) hat die Wirtschaftsbehörde die Bremse gezogen. Derzeit werden die Kosten heruntergerechnet. Die bange Frage für die Kunst lautet jetzt: Was tun, wenn der Pfad noch richtig billig wird und also proportional der Kunstetat zusammenschmilzt? Müssen wir dann aufs japanische Plätschern verzichten? Burkhard Straßmann

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