Wert, was Politiker dafür zahlen

22 Millionen Zuschauer hat das deutsche Theater im Jahr. „Wetten, daß...?“ sehen an einem Samstag 12 Millionen. Warum eigentlich soll das Subventionstheater erhalten werden?  ■ Von Cornelia Dümcke

Wer heute von Kultur redet, nimmt meist zügig den Bezug zu volks- und betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen von Geld und Ressourcenbegrenzung, Sparzwang und Effizienz, Verstaatlichung oder Entstaatlichung.

Als Ökonomin verwundert und erschreckt mich allerdings – und das nicht nur als Beobachterin der kulturpolitischen Ereignisse in den letzten Wochen in Berlin –, wie Künstler oder Politiker zunehmend „im Ökonomischen“ dilettieren.

Offensichtlich ist im gegenwärtigen gesellschaftlichen und kulturpolitischen Diskurs das Vertrauen in die kulturellen Argumente erschüttert und mehr Zutrauen in die Überzeugungskraft ökonomischer Argumentation gesetzt worden. Das hat Gründe, auf die ich im einzelnen noch zu sprechen komme, ist aber im allgemeinen ein deutliches Signal für den gesellschaftlichen Verlust der Funktion und der Autonomie der Kultur in dieser Gesellschaft. Zu diesem sinkenden „kulturellen Index“ gehört auch die zunehmende Instrumentalisierung der Kultur für außerkulturelle Zwecke. Und immer deutlicher wird auch, daß die Mittel die Zwecke bestimmen, die eigentlichen Ziele aber nicht mehr bestimmt werden (können) und Gesellschaftstheoretiker, Politiker, Wirtschaftsakteure und eben auch Künstler den Verhältnissen gleichermaßen irritiert gegenüberstehen. Denn, um auf das Thema der Diskussion zurückzukommen, woran und warum soll nun gespart werden: an der Kultur oder am Geld für die Kultur? Beide Fragestellungen haben zwar einen Zusammenhang, aber in ihrer Beantwortung unterschiedliche Begründungsmuster!

Ich möchte nicht im „Kulturell- Ästhetischen“ dilettieren, sondern Anmerkungen zum Thema aus meiner, das heißt der kulturökonomischen Perspektive versuchen, die nur eine begrenzte Sicht sein kann.

Das grundsätzliche Problem der Kultur besteht weniger in der Zuschuß- oder Subventionsbedürftigkeit einzelner kultureller Teilbereiche, sondern im Zustand der Gesellschaft mit Ausgrenzungen am Arbeitsmarkt, ansteigenden Sozialproblemen und ungelösten Konfliktpotentialen.

Die Lage der Kultur ist deshalb nur ein Indikator einer alles in allem unübersichtlicher gewordenen kultur- und gesellschaftspolitischen Situation, die sich nicht nur wegen der Krise der Staatsfinanzen wesentlich schonungsloser mit den gegenwärtigen Prioritäten in der deutschen Kulturpolitik und Kulturförderung auseinandersetzen muß.

Wenn die Bundesrepublik einem Gesellschaftsmodell folgt, das seinen Effekt im Bruttosozialprodukt mißt und nicht in der Lebensqualität seiner Bürger und der künftiger Generationen, wird sie kein moderner Industriestaat sein, sondern höchstens ein Wirtschaftsstandort mit einer „entsprechenden“ Kultur.

Das „Restmittelprinzip“ Kultur wird nicht dadurch aufzuheben sein, daß sich Künstler und Kulturpolitiker zum Gewissenskorrektiv staatlicher Umverteilungsmechanismen aufspielen. Die Frage ist doch, wofür heute das Geld fehlt! Man berücksichtige, daß gegenwärtig 250 Meter Autobahn 4 Millionen Mark öffentliche Subventionen kosten. Deshalb erscheint mir die Diskussion um die Kultur- oder Theaterfinanzierung häufig wie eine beschäftigungstherapeutische Maßnahme in geschlossenen Kreisen, jenseits der tatsächlichen volkswirtschaftlichen Umverteilungswirklichkeit.

Die Krise des Theaters ist insofern nur Teil der allgemeinen „geistigen“ und „materiellen“ Krise der Gesellschaft und darum auch nur im Verein mit ihr aufhebbar. Deshalb ist die ökonomische Situation der Theater viel weniger abhängig von ihrer eigenen „inneren“ Ökonomie als von der Ökonomie der Gesellschaft und der Ökonomie der Zuschauer.

Im Theater zeigt sich im Augenblick die derzeitige Legitimationsbedürftigkeit der öffentlichen Kulturförderung in Deutschland in ihrer angreifbarsten und widersprüchlichsten Form.

Nicht nur für den Ökonomen stellt sich die Frage nach der Legitimation, dem Sinn oder Unsinn von staatlichen Subventionen in bestimmten Bereichen der künstlerischen oder kulturellen Produktion. Denn auch der „normale Bürger“ und Steuerzahler ist neuerdings durch die partielle Offenlegung von Intendantengehältern, Abfindungssummen und anderem Subventionsgebaren an deutschen Staats- und Stadttheatern im Ergebnis der aktuellen Theaterschließungsdebatten auf das Problem nicht nur aufmerksam gemacht geworden. Als nicht zu unterschätzender Effekt der Medienöffentlichkeit ist er auch in seinem Mißtrauen gegenüber der Verwendung öffentlicher Mittel bestärkt worden. Eine aktuelle Volksabstimmung über Sein oder Nichtsein des Theaters brächte möglicherweise ernüchternde Ergebnisse.

Allen populistischen Argumenten sei hier aber gleich entgegengehalten, daß sich die gesellschaftliche Wirksamkeit von Theater niemals in der Geschichte proportional zur Zahl seiner Anhänger oder Zuschauer verhielt.

Der Ökonom muß sich die Frage allerdings professionell stellen. Staatliche Kulturförderung verwendet Steuereinnahmen. Weil Steuererhebung einen staatlich erzwungenen Konsumverzicht bedeutet, Kulturausgaben ökonomisch also auch „Verzichts- oder Opportunitätskosten“ sind, die einer (demokratischen) Legitimation bedürfen, muß immer wieder aufs neue geprüft werden, ob staatlich finanzierte Kultur dem einzelnen einen privaten Nutzen verschafft, der den Konsumverzicht der steuerzahlenden Allgemeinheit rechtfertigt.

Auch wenn dies lange Zeit eher ein Forschungsdesiderat der Nationalökonomie war, haben Ökonomen das Thema mittlerweile aus dem besonderen Blickwinkel der ökonomischen Gütertheorie heraus ausreichend behandelt und sind zu Schlüssen gekommen, die praktische Relevanz haben. Ich will nur verkürzt den folgenden Zusammenhang benennen.

Kulturelle Güter konkurrieren mit nichtkulturellen in öffentlichen und privaten Güter- und Nachfragemärkten. Dies betrifft auch das Theater, vor allem in Zeiten veränderter Freizeit- und Konsumgewohnheiten, neuer Lebensstile und Lebensformen.

Unbestritten ist, daß es im internationalen Vergleich von Theatermärkten durchaus innovative Ergebnisse und Ereignisse von Theaterunternehmen gibt, die auf den Markterfolg angewiesen sind und keine Subventionen für eine Marktbevorteilung erhalten. Mühelos lassen sich andererseits zugleich viele negative Begleiterscheinungen der Abhängigkeit vom Markt zeigen, nicht nur was die Qualität, sondern auch die soziale Situation des künstlerischen Berufsstandes anbelangt. Weil der Theatermarkt durchaus auch durch privatwirtschaftliche Abstimmung über Angebot und Nachfrage funktionieren kann – den besten Beweis liefern in Deutschland Privattheater und Tourneetheater als die im marktwirtschaftlichen Sinne produktivste Verkehrsform von Theater –, spielt bei der Subventionsbegründung im öffentlichen Staats- und Stadttheatersystem ein anderer ökonomischer Denkansatz eine Rolle. Gemeint ist der „meritorische“ Charakter, der zahlreichen Gütern, darunter auch vielen Formen künstlerischer Arbeit, zugesprochen wird. Danach soll Kultur respektive Theater als meritorisches Gut in stärkerem Maße genutzt und nachgefragt werden, als dies das Publikum, die Bürger aus freien Stücken tun.

Dieser ökonomische Denkansatz bringt die gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsträger für die Kulturförderung ins Spiel. Damit wird in der ökonomischen Beweisführung eindeutig ein (kultur)politisches Werturteil benutzt; in der Regel gekoppelt mit verteilungspolitischen Erwägungen, den Zugang zu „diesem“ Theaterangebot durch Subventionen zu verbilligen.

Als Fazit läßt sich festhalten: Die Begründung und Legitimation der staatlichen Kulturförderung von Theatern folgt – berechtigt – gesellschaftlichen Zielen. Sie stammt aber nicht aus dem kulturellen Angebotsprozeß selbst und läuft damit Gefahr, sich beständig vom Eigentlichen des Theaters – der künstlerischen Produktion, der Inszenierung oder den spezifischen Theaterproduktionsformen – zu entfernen.

Das scheint mir ein Hauptproblem der gegenwärtigen Strukturdebatten zu sein, was immer man darunter fassen will.

Das Subventionstheater ist damit – und das ist eines seiner Dilemmata – so viel wert, wie die Politiker dafür zu zahlen bereit sind. Dort, wo öffentliche Kulturförderung Steuereinnahmen verwendet, geht Machtbefugnis voraus; und die kann in Umfang und Struktur jederzeit widerrufen werden.

So handelt es sich häufig nur noch um eine politisch und vielleicht auch noch ökonomisch akzeptierte Subventionsbedürftigkeit. Deshalb liest man im übrigen auch immer mehr bilanzierende Rechtfertigungen für die öffentlich geförderte Kultur, die von der empirischen Wirtschaftsforschung in den vergangenen Jahren mit einschlägigen Untersuchungen unterlegt worden sind (so zum Beispiel für opulente Festspiele, für große Theaterunternehmen oder für Kultur als Standort- und Wirtschaftsfaktor schlechthin, wie zum Beispiel mit der DIW-Studie zu Kultur als Standortfaktor in Berlin). Trotzdem gilt in informierten Kreisen als unbestritten, daß Kultur, von spektakulären Ereignissen und den Umsätzen der kulturindustriellen Produktion abgesehen, zunächst nur drittrangige monetäre Renditen abwirft.

Die Frage bleibt jedoch im Raum stehen, wie es mit der kulturell akzeptierten Bedürftigkeit nach öffentlicher Förderung bestellt ist. Damit ist meines Erachtens ein entscheidender Konflikt im gegenwärtigen kulturpolitischen Klima beschrieben.

Die Überlebensfähigkeit des Theaters hat auch deshalb für die Mehrheit der Staats- und Stadttheater kaum mehr mit dem Publikum zu tun, sondern eher mit den Politikern. Was im übrigen auch heißt, daß sich Theater und Gesellschaft in ihrer heutigen Verfassung zunehmend voneinander entfernt haben. Deshalb ist eine der entscheidenden Fragen die nach der Funktion des Theaters in der Gesellschaft!

Um sinnvoll über Strukturveränderungen reden zu können, muß genau diese Frage beantwortet werden: Was für ein Theater will „man“ überhaupt; inhaltlich, ästhetisch und kulturpolitisch?

Das schließt ökonomische und juristische Überlegungen zu anderen Formen der Unternehmensführung und Finanzierung unbedingt ein. Es bedeutet aber, daß zuvor gesellschaftliche Werturteile getroffen werden müssen, nach denen Prioritäten – auch in der Umverteilung öffentlicher Gelder – gesetzt werden können. Und die müssen begründet werden, auch mit den Instrumentarien der Ökonomie und mit Argumenten, was ökonomisch vertretbar und vernünftig ist.

Noch gibt es die separierten „Verteilungsprioritäten“ in Deutschland, denn in keinem anderen Land der Welt subventioniert der Staat so kräftig die Staats- und Stadttheaterkultur. Im Bundesschnitt war das in der letzten Spielzeit ein staatlicher Zuschuß in Höhe von etwa 140 Mark für jeden Theaterbesucher. Diese Zuschüsse haben erhebliche Spannweiten nach oben und unten zwischen den großen repräsentativen Bühnen und den kleineren Theaterstandorten. Die Stadt Frankfurt am Main bezuschußt die Städtischen Bühnen mittlerweile mit einem Betrag von 400 Mark pro Besucher.

Durch eine ungebremst rückläufige Besucherentwicklung in den öffentlichen Theatern, der eine Verzehnfachung der öffentlichen Ausgaben in den letzten vier Jahrzehnten gegenübersteht, haben sich die Zuschüsse je Theaterbesuch in diesem Zeitraum mittlerweile verzwanzigfacht. Und die Tendenz bleibt steigend.

Stellt man diese Entwicklungen in den Zusammenhang der gegenwärtigen Verteilungsprioritäten öffentlicher Mittel für die Kultur in anderen Bereichen kultureller Produktion – beispielsweise in die dezentrale oder Soziokultur –, bestätigt dies ökonomisch die These vom „Luxusgut“ oder der „Luxuslimousine“ Staats- und Stadttheater.

Wenn dieses Theater aber durch den Wandel in den Bedürf

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nissen und kulturellen Lebensformen immer reduzierter, von einer immer kleineren Klientel angenommen wird, ist es am Ende schwer einzusehen, warum man diese „letzte Bastion“ im humanistischen Sinne noch mit Steuergeldern erhalten soll.

Andererseits ist das Theater als kulturelles Phänomen kein Produkt der Massengesellschaft und bedient vor allem keine Massenbedürfnisse. Das hat zur Folge, daß die kulturelle Bedeutung und Wertschätzung von Theater auch nicht, wie beim Fernsehen, aus einer „Einschaltquotenmentalität“ abgeleitet werden darf. Die können die Theater, weil sie im Grunde handwerkliche, hochgradig spezialisierte Produktionsunternehmen mit begrenzten Kapazitäten (etwa nach jährlichen Vorstellungen und verfügbaren Plätzen) sind, sowieso nicht erreichen. Mit 12 Millionen Fernsehzuschauern hat die letzte „Wetten, daß...“-Show von Wolfgang Lippert an nur einem Samstagabend mehr als das Doppelte der jährlichen Theaterbesucher in allen öffentlichen Theatern in den neuen Bundesländern erreicht. Etwa 22 Millionen Theaterbesuche werden nach der letzten Spielzeitstatistik pro Spieljahr für die gesamten öffentlichen Theater in der Bundesrepublik ausgewiesen. Nach den Kriterien der Medienanstalten müßte man das Theater demnach schon lange absetzen. So gewagt und absurd der Vergleich auch ist, er macht die Grenzen und die Gefährdungen des Theaters im kulturellen Klima der heutigen Gesellschaft deutlich.

Diese Gefährdung des Theaters, wie aller anderen „life performing arts“, ist an sich lange bekannt.

Die zutreffendste und schärfste Prognose für das ökonomische Dilemma, in das die Theater geraten werden, stammt von den amerikanischen Nationalökonomen William J. Baumol und William G. Bowen. Sie haben bereits Anfang der sechziger Jahre am Beispiel des amerikanischen Theatermarktes die ökonomische Gesetzmäßigkeit in den darstellenden Künsten über das ungleichgewichtige Produktivitätswachstum unterschiedlicher Sektoren der Volkswirtschaft modellhaft beschrieben. Da die Produktivität im Bereich der Theater (durch die Technologie der life performing arts) im Zeitverlauf stagniert, zumindest aber relativ zurückbleibt hinter den Produktivitätsschüben in anderen Bereichen der Volkswirtschaft, ergibt sich ein grundsätzlicher Trend zur Kostensteigerung bei Theatern und Orchestern, bei der die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben/ Kosten nur mit externen Zuweisungen geschlossen werden kann. In einer auf Produktivität und Wachstum orientierten Wirtschaft und Gesellschaft, so Baumol und Bowen in den sechziger Jahren, sind die Theater langfristig gesehen dem Untergang ausgeliefert.

Ein Theatertod also, der jahrzehntelang im Feuilleton angekündigt, theoretisch sogar nachgewiesen, aber offensichtlich nicht ernst genommen worden ist?

Ich behaupte, daß das von Baumol/Bowen aus volkswirtschaftlicher Sicht entwickelte Phänomen des ökonomischen Dilemmas der darstellenden Künste im deutschen Staats- und Stadttheatersystem zusätzlich dadurch eskaliert und außer Kontrolle geraten ist, daß es eine ganze Reihe von Gefährdungen selbst mitproduziert hat.

Ich will in einigen abschließenden Thesen Punkte benennen, an die nach meinen Beobachtungen Reformansätze anknüpfen müßten:

Erstens. Die allgemeine und undifferenzierte Auffassung, daß gespart werden muß, ist nur ein Ausdruck dafür, daß nicht nur kulturpolitische, sondern auch (kultur-)ökonomische Konzepte fehlen. Worum es tatsächlich geht, ist, daß die naturgemäß begrenzten öffentlichen Mittel für die Theater verantwortungsvoller, intelligenter und stärker zweckgerichtet verwendet werden. Man könnte einiges einsparen, wenn man sich von vornherein künstlerisch fragwürdige und finanziell abenteuerliche Experimente ersparen würde!

Zweitens. Das, was den Theaterbetrieb so „teuer“ macht, sind die Personalkosten (mittlerweile belaufen sie sich in einigen Häusern auf bis zu 80 Prozent der Gesamtetats, wobei das künstlerische Personal daran immer noch den geringeren Anteil hat). Ungeachtet aller Warnungen ist das westliche Tarifsystem der ostdeutschen Theater mit der Konsequenz einer eigentlich im voraus absehbaren, das heißt berechenbaren Personalkostenexplosion überspült worden.

Deshalb überlegen viele der Ost-Theater jetzt, ob sie vor dem nächsten Tarifsprung, der sie dem finanziellen Exitus wieder ein Stück näher bringt, nicht schnell noch das alte System verlassen.

So gibt es Angebote von den Theatern über den Abschluß von Haustarifverträgen, aber auch grundsätzliche Überlegungen zur Veränderung des Tarifgefüges vom deutschen Bühnenverein und Gesprächsbereitschaft und Konzepte von den Gewerkschaften. Alle sind eigentlich dem Ziel verpflichtet, bei einem höchstmöglichen sozialen Schutz der Beschäftigten an den Theatern die Tarifverträge wieder stärker an den künstlerischen Produktionsprozeß anzupassen. Das ist richtig und notwendig und kann nur gelingen, wenn sich alle neuen Modelle auf die tatsächliche Bedeutung des Ensembleprinzips im deutschen Theater besinnen und auf Bedingungen einigen, unter denen ein Ensemblegeist im Theater wieder entstehen kann. Denn man soll nicht leichtfertig entwerten, was man hat, nur weil man den höheren Preis nicht bezahlen kann!

Drittens. Öffentliche Theater werden als Behörde geführt und folgen schon deshalb keiner unternehmerischen Logik, weil sie den Bedingungen der Kameralistik ausgeliefert sind. Deshalb liegen Gründe für die beklagte Ineffizienz der Theater nicht nur in deren innerbetrieblichen Problemen, sondern auch in der Schwerfälligkeit der Verwaltung.

Es ist tatsächlich ein Problem, daß ein produzierender Bereich wie das Theater nach den Kriterien der Verwaltung organisiert ist. Es wird heute dadurch verstärkt, daß sich die Verwaltung selbst immer mehr von ihren eigentlichen Zwecken entfernt hat. So bestätigt sich die These, daß der „Bürozweck“ zum eigentlichen Zweck der Bürokraten wird. Unter solchen Bedingungen kann kein lebendiges Theater entstehen.

Letztlich muß erreicht werden, die organisatorischen, ökonomischen und rechtlichen Bedingungen der Theaterarbeit den Kriterien künstlerischer Positionen entsprechend zu entwickeln, was ohne eine gesellschaftliche Funktionsbestimmung der Theaterkultur und ohne Berücksichtigung der inneren Gesetze ihrer Produktion letztlich nicht zu bewerkstelligen ist.

Viertens. Es ist weiter zu berücksichtigen, daß die Tiefengliederung der deutschen Theaterkultur eine Differenz in den Methoden und Instrumentarien für ein wirksameres Management braucht – in der Finanzierung, in der Organisationsentwicklung oder im Umgang mit den Politikern oder Besuchern. Deswegen liegt in der Verallgemeinerung von einzelnen Befunden zugleich potentiell die Gefahr von Fehleinschätzungen. Jedes Haus braucht eigentlich seine eigene, innere „Reform“.

Fünftens. In einer Gesellschaft, in der Theater von einer immer kleineren Klientel genutzt wird, sollte – in Ergänzung zur unabdingbar notwendigen staatlichen Förderung – überlegt werden, wie man diese Klientel phantasievoller in eine Förderung der Theaterkultur einbindet. Damit meine ich nicht nur die Schaffung von Freundeskreisen des Theaters, auch nicht das Sponsoring, sondern funktionsfähige public-private partnerships, für die es in anderen Bereichen, etwa in der kommunalen Wirtschaftsförderung oder in der Stadtentwicklung, vor allem aber in anderen westeuropäischen und angloamerikanischen Ländern überzeugende Argumente und Modelle gibt.

Sechstens. Die politische Verantwortung für die Theater besteht darin, Konzeptionen zu erarbeiten, die auf der Analyse der tatsächlichen Theaterentwicklung beruhen. Sie besteht aber nicht einfach darin, die Anforderungen der Finanzverwaltungen in ökonomischen Druck umzusetzen. Eine solche politische Bedrohung produziert eine verständliche Abwehr und Verschweigetaktik bei den Theaterleuten als den Betroffenen. Solange nur ein konzeptionsloser Druck erkennbar ist, wird keine Bereitschaft zur Aufdeckung der tatsächlichen Probleme vorhanden sein.

Deshalb muß zunächst eine andere politische Atmosphäre geschaffen werden, in der die Debatte sachlich und vor allem ehrlich geführt werden kann.

Die Autorin ist Kulturökonomin und freie Kulturberaterin.