Vierter Jahrestag im Kurdenprozeß

■ Nur noch vier von 18 Angeklagten / Verteidiger: Schauprozeß gescheitert

Düsseldorf (taz) – Der Prozeßauftakt geriet am 24.10. 1989 zu einem internationalen Medienereignis. Spektakulär waren die Rahmenbedingungen. 15 der 18 angeklagten Kurden konnten das Geschehen im Gerichtssaal zunächst nur durch eine Plexiglasscheibe verfolgen. Man verbannte sie in einen riesigen „Glaskäfig“, abgeschirmt von ihren Verteidigern und vom Publikum. Ein Aufwand, der die Gefährlichkeit der Angeklagten gleichsam visualisierte. Für den Rest an Einstimmung sorgte der damalige Generalbundesanwalt Kurt Rebmann höchstpersönlich. Das Düsseldorfer Verfahren beschrieb er schlicht als „größten Terroristenprozeß in der Geschichte“ der Bundesrepublik.

Die nüchternen Fakten sprechen nach vierjähriger Prozeßdauer eine andere Sprache. Von den 18 Angeklagten sitzen nur noch vier auf der Anklagebank. Neun Verfahren wurden endgültig, drei vorläufig eingestellt. Gegen einen Angeklagten verhängte das Düsseldorfer Oberlandesgericht eine Bewährungsstrafe, ein weiterer erwirkte einen noch nicht rechtskräftigen Freispruch. Nicht einer dieser ehemaligen Angeklagten wurde wegen des ursprünglichen Anklagevorwurfs, Mitglied in einer terroristischen Vereinigung zu sein, belangt. Die Anklage gegen die als „Terroristen“ denunzierten Kurden entpuppte sich als das, was die Verteidigung immer behauptet hatte: als eine brüchige, phantasiereiche politische Konstruktion ohne tatsächlichen konkreten Tathintergrund. Es dauerte mehr als zwei Jahre, bevor auch das Gericht die Augen davor nicht mehr verschließen konnte und das Verfahren „wegen Geringfügigkeit“ einstellte. Der Versuch der Bundesanwaltschaft, so kommentiert Verteidiger Hans-Eberhard Schultz diesen ersten Akt des Verfahrens, die Kurdische Arbeiterpartei PKK „über den Paragraphen 129a als terroristisch zu diffamieren, ist gescheitert“.

Bei den verbliebenen vier Angeklagten, die nun schon seit über fünfeinhalb Jahre in Untersuchungshaft sitzen, geht es indes nach altem Muster weiter. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen weiterhin die „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ vor. Sie sollen als Mitglieder einer internen Gruppe der PKK, die sich mit dem Bereich „Parteisicherheit“ befaßt hat, unter anderem abtrünnige PKK-Mitglieder ermordet haben. Einer von ihnen, Ali H. Kaytan, wird sogar für eine Tat angeklagt, die er in den 80er Jahren in einem PKK-Ausbildungslager im Libanon begangen haben soll. Nachdem die libanesische Regierung ein Amnestiegesetz für alle im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg begangenen Taten erlassen hatte, war auch der Düsseldorfer Senat zwischenzeitlich überzeugt, daß eine Verurteilung von Kaytan schon aus Rechtsgründen nicht mehr in Frage komme. Doch der Bundesgerichtshof wies diesen Beschluß zurück – und der Senat beugte sich.

Die jetzt noch verhandelten Anklagepunkte fußen fast ausschließlich auf der Aussage des einstigen PKK-Führers Ali Cetiner. Der in Berlin wegen eines gemeinschaftlich begangenen Mordes angeklagte Cetiner war wegen seiner Bereitschaft, als Kronzeuge auszusagen, zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Im Berliner Verfahren war ihm „Grenzdebilität und politischer Fanatismus“ bescheinigt worden, es wurde auf verminderte Schuldfähigkeit plädiert. Eine von der Verteidigung beantragte psychiatrische Begutachtung des Zeugen lehnte das Düsseldorfer Gericht dennoch ab.

Die Beweisaufnahme – es geht vor allem darum, die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen zu überprüfen – könnte nach Einschätzung von Rechtsanwalt Elard Biskamp noch im November beendet werden. Anfang des nächsten Jahres wäre dann mit einem Urteil zu rechnen. Insgesamt, so verbreitete gestern am 327. Verhandlungstag die Nachrichtenagentur AP, hat der Prozeß bisher 70 Millionen Mark gekostet. Walter Jakobs