Tauschgeschäft: Pietà gegen Scharnhorst

■ Bedingung der Erben: Kollwitz-Plastik steht für Neue Wache nur zur Verfügung, wenn Preußen-Denkmäler fernbleiben

Bestimmen die Betreiber der Neuen Wache als Einrichtung der „Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik“ mit Kollwitz-Pietà im Innern auch die Gestaltung des Umfelds des Schinkel-Baus? Im Zusammenhang mit dem Umbau des von der DDR als Ehrenmal genutzten Baus ist geplant, den 1822 von Christian Daniel Rauch geschaffenen Marmorfiguren der Generäle Bülow und Scharnhorst dort keinen Raum mehr zu geben. Bis 1948 standen sie zu beiden Seiten des klassizistischen Bauwerks.

In einer Verabredung zwischen dem Bonner Bundeskanzleramt, dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen und den Kollwitz-Erben wurde entschieden, „der Plastik der pazifistischen Künstlerin keine preußisch-militärischen Denkmäler gegenüberzustellen“, so Martin Fritsch, Leiter des Berliner Käthe-Kollwitz-Museums: „Die Regelung beinhaltet, daß kein militärisches Zeremoniell und keine Militärsymbolik die neue Bedeutung der Gedenkstätte konterkarieren dürfen.“ Die Erben der Künstlerin hätten nur unter dieser Voraussetzung ihr Einverständnis zur Vergrößerung der „Trauernden Mutter“-Plastik gegeben. Eine Revision dieser Entscheidung würde „unweigerlich“ dazu führen, die Pietà wieder „abzuziehen“, sagte Fritsch. Es fehlten dann die „Grundlagen und der Konsens“, unter denen die Vergrößerung der Miniatur erlaubt worden sei.

Der „Deal“ zwischen dem Bundeskanzleramt und den Kollwitz- Erben bringt nicht nur die Berliner Baudenkmalpflege und ihren Leiter Haspel in Rage, der eine Rekonstruktion des historischen Stadtraums und die Rückgewinnung öffentlicher Denkmäler über eine „breit angelegte Debatte“ anstrebt. Kritik an der verdeckten Entscheidung übte erneut die Denkmalexpertin Gabi Dolff, die einen zusätzlichen „geschichtlichen Verdrängungsakt“ – neben der zu schnellen Umwidmung der „Kollwitz-Wache“ – sieht. Ohne Diskussion würde das historische Stadtbild erneut „geschönt und in seiner Bedeutungsvielfalt „geglättet“.

Dem Bundeskanzler und seinen Emissären komme es darauf an, ein störungs- und spannungsfreies Bild der Zentralen Gedenkstätte zu vermitteln, sagte Dolff. Dabei werde nicht nur übersehen, daß die Figur der trauernden Mutter in Wirklichkeit immer „zur Darstellung des Krieges“ beigetragen habe. Zugleich würden „ohne Nachdenken“ und mit einer „Anmaßung sondergleichen“ die Ikonographie von Schinkels Bauwerk als Denkmal der Befreiungskriege und der als Philosoph dargestellte Preußische Heeresreformer Scharnhorst ignoriert. Insbesondere das Scharnhorst-Denkmal dürfe nicht weiter stigmatisiert werden. Die Denkmalpflegerin stört sich insbesondere daran, daß über die Zukunft der beiden Denkmäler in Bonn entschieden werden soll. Sie forderte eine Entkoppelung der beiden Debatten um Gedenkstätte und Skulpturen. Über eine Aufstellung und ihre Interpretation der steineren Feldherrn darf ihrer Meinung nach nur im Anschluß an eine Diskussion über das Statuenprogramm insgesamt entschieden werden. Rolf Lautenschläger