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Scheinheilige Empörung

■ Politiker kritisieren Experiment mit geklonten Embryonen

New York/Bonn (dpa/AP) – Von einem Meilenstein in der Geschichte der Medizin sprechen die einen, von einem Alptraum für die Menschheit die anderen. Der erste gelungene Versuch, menschliche Embryonen zu klonen, hat heftigen Streit ausgelöst. Nun behauptet Jerry Hall von der amerikanischen George-Washington-Universität: Der öffentliche Aufschrei sei genau das gewesen, was er erreichen wollte. Die Technologie für dieses Experiment sei lange vorhanden gewesen und mußte nur realisiert werden. „Es war also nur eine Frage der Zeit“, sagte Hall in einem Interview, das das renommierte Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht hat.

Seit Jahren hatten laut Hall Tierzüchter ein vergleichbares Verfahren angewandt, um identische Exemplare von wertvollen Pferden, Rindern oder Schafen zu produzieren. Darum hätten er und seine Kollegen vor gut zwei Jahren entschieden, das Klonen menschlicher Embryonen zu wagen. Mit dem Nachweis der Machbarkeit sollte die längst fällige ethische Diskussion über die „Fabrikation“ menschlichen Lebens entfacht werden, so Hall. Seine Experimente hat der Forscher inzwischen eingestellt.

In Deutschland forderten gestern führende Politiker von SPD und FDP ein EG-weites Verbot derartiger Versuche. Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer sagte in einem Gespräch mit der BZ, er halte es für sachgerecht, wenn die ethischen Grundsätze des deutschen Embryonenschutzgesetzes in anderen Ländern übernommen würden. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rudolf Dressler äußerte sich in gleicher Weise.

Die Europaparlaments-Abgeordnete Hiltrud Breyer hält die Empörung über das Experiment in Europa für scheinheilig. Auch hier werde versucht, Keimbahntherapien zu enttabuisieren. Experimentiert werde bereits mit Zellen, die Embryonen entnommen würden, um ihre „genetische Qualität“ zu prüfen. Theoretisch wäre Halls Versuch auch hierzulande möglich. Denn das Embryonenschutzgesetz verbietet nur die Klonierung bei entwicklungsfähigen Embryonen. Hall verwendete aber nach eigenen Angaben nicht entwicklungsfähige Eizellen. „Das deutsche Gesetz [...] bietet damit ein Schlupfloch für die Klonierungsforschung“, so Breyer.

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