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„Das ist die Geschichte vom Bremer Filz“

■ Stadtwerke-Untersuchungsausschuß bescheinigt Wedemeier Parteienklüngel

Bremen (taz) – Immer wieder sind die Grünen in Bremen und auch die FDP mit dem „Filz“-Vorwurf gegen die SPD zu Felde gezogen, solange sie das Land allein regierte. Ausgerechnet ein Jahr nach der Bildung der Ampel-Koalition bescherte nun die CDU-Opposition den beiden kleinen Regierungspartnern einen Untersuchungsausschuß, der die Beziehungen zwischen dem kommunalen Versorgungsunternehmen Stadtwerke und der jahrzehntelang allein regierenden SPD untersuchen sollte. Großzügige Bewirtungen und Geburtstagsgeschenke an Aufsichtsratsmitglieder wurden durchgegangen, eine umfangreiche Spendenliste an diverse Vereinigungen in Bremen, deren inneres Band weniger der Stadtwerke-Unternehmenszweck war als die Parteizugehörigkeit der Bittsteller oder Vereinsvorsitzenden.

Das zentrale Interesse der CDU und auch der kleinen SPD-Partner galt allerdings den Stichworten „Billigstrom“ und „Parteispende“. Denn politisch brisant waren die Untersuchungen des Ausschusses, weil an der Spitze des Aufsichtsrats derselbe Mann steht, der die Nummer eins der Bremer SPD ist: der Präsident des Senats, Klaus Wedemeier. Und der bezog den Strom zum halben Preis („Werktarif“), obwohl er nicht Werksangehöriger ist und der Stadtwerke-Aufsichtsrat unter dem Amtsvorgänger Koschnick diese Praxis ausdrücklich abgeschafft hatte. Wedemeier ließ sich von den Stadtwerken großzügig sein Amtszimmer in der Bonner Vertretung Bremens ausstatten. Als Stück für Stück herauskam, daß im Dezember 1991 die Stadtwerke Bremen beschlossen hatten, der SPD nach Bonn dreimal 30.000 Mark zu spenden, kam Aufsichtsratsvorsitzender Wedemeier sofort in Verdacht, mit diesem Geld sollte die bei der Mutterorganisation hoch verschuldete Landesorganisation entlastet werden, die 1991 bei den Bremer Landtagswahlen 12 Prozent Minus eingefahren hatte. Politisch verantwortlich für die fehlende Wahlkampfkostenerstattung: Spitzenkandidat Wedemeier.

Man habe gemeinsam ein Stück der SPD-Geschichte aufgearbeitet, lobte am Ende die Grüne Elisabeth Hackstein die streckenweise schwierige Arbeit im Ausschuß. Vor allem um die Formulierungen „mangelndes Problembewußtsein“ und „Unfähigkeit zur Selbstkritik“ habe es nächtelanges Tauziehen gegeben, berichtete die FDP-Abgeordnete von Schönfeldt. Einig waren sie sich mit der Wertung der CDU-Opposition: „Der Bericht ist ein Dokument zum Thema Filz.“ Aber insbesondere zu der brisanten Parteispende konnte der Ausschuß nur eine lange Liste von Merkwürdigkeiten zutage fördern, keinen Beweis dafür, daß das Geld für die Bremer SPD bestimmt gewesen sei.

In der Parlamentsdebatte über den Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses räumte Bürgermeister Wedemeier „Fehler“ bei den „Beziehungen“ zwischen SPD und den Stadtwerken ein. Kein kritisches oder schlechtes Wort kam Wedemeier dagegen zum Stadtwerke-Vorstand über die Lippen. Dessen merkwürdige Gedächtnislücken vor dem Ausschuß brachten die FDP am Mittwoch in der Bürgerschaft immer noch auf die Palme.

Die CDU wollte weitergehen und forderte personelle Konsequenzen an der Spitze. Die Ampel- Koalition hatte aber schon vorher verabredet, daß Wedemeier am kommenden Montag erneut zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt werden soll. Klaus Wolschner

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