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Gefangene erklären RAF für erledigt

■ Brigitte Mohnhaupt begründet die Trennung der Gefangenen vom Untergrund mit Verrat

Berlin (taz) – Zwischen den im Untergrund lebenden Mitgliedern der Rote Armee Fraktion (RAF) und den in Celle inhaftierten RAF-Gefangenen auf der einen und den anderen RAF-Gefangenen auf der anderen Seite ist es zum offenen Bruch gekommen. Das geht aus einem Brief der Gefangenen Brigitte Mohnhaupt hervor, in dem sie geheime Verhandlungen der Celler Gefangenen Lutz Taufer, Karl- Heinz Dellwo und Knut Folkerts mit der Bundesregierung über die Aufgabe des bewaffneten Kampfes veröffentlicht. Das Konzept der Celler Gefangenen, so Mohnhaupt, sei mit dem in Bad Kleinen festgenommenen RAF-Mitglied Birgit Hogefeld und den RAF-Aktiven im Untergrund abgestimmt worden. Mit der Initiative, in der der frühere Grünen-Sprecher und Rechtsanwalt Hans-Christian Ströbele vermittelte, solle „unser Leben und unser Kampf hinter unserem Rücken abgewickelt“ werden.

Beabsichtigt war, dem Schreiben zufolge, unter Einschaltung prominenter Personen an die Bundesregierung heranzutreten. Der Daimler-Benz-Chef Edzard Reuter und der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignaz Bubis, sollten bei Bundeskanzler Helmut Kohl vorsprechen und dafür werben, daß eine Beendigung des Konfliktes RAF – Staat auch im Interesse der Wirtschaft sei. Ausgangspunkt sei die Vorstellung gewesen, „Kohl könne ein Interesse daran haben, sich vor den Wahlen als derjenige darzustellen, der die ,politische Lösung' gebracht und 23 Jahre Konfrontation beendet hat“. Als Zeichen, daß der Staat auf das Angebot eingehe, schreibt Mohnhaupt, sollte er die am längsten inhaftierten RAF-Gefangenen freilassen und die übrigen Gefangenen zusammenlegen. Danach hätte eine „Gesamtlösung“ umgesetzt werden sollen, die auch die RAF- Mitglieder im Untergrund einbeziehen sollte.

Gegenüber der taz bestätigte Ströbele gestern, Kontakt zum Daimler-Benz-Chef Reuter und zu Ignaz Bubis aufgenommen zu haben. Auch das Bonner Justizministerium dementierte die Einschaltung der beiden Prominenten nicht. Der Ministerin gehe es um weitere Deeskalation. Mohnhaupts Wertungen seien allerdings so nicht richtig. Edzard Reuter selbst ließ ausrichten, daß er zu den Berichten keine Stellung beziehen möchte. Der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Hans- Jürgen Förster, erklärte auf Anfrage, daß die Sache geprüft werde. Jede weitere Stellungnahme lehnte er ab. Im Namen aller RAF-Gefangenen, mit Ausnahme der in Celle Inhaftierten, konstatiert Mohnhaupt, der Inhalt der Beziehungen zur RAF sei nun zerstört, „eine andere Entscheidung als Trennung nicht mehr möglich“. So oder so sei dies das Ende der Politik, „für die die RAF über 20 Jahre gestanden hat: revolutionäre Intervention in den Metroplen“. Wo der Inhalt hingekommen sei, „sehen wir daran, daß die bewaffnete Aktion heute als Ware definiert wird“. Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10

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