Arbeitsverweigerung und Hetzreden

■ DVU in den Ausschüssen und Deputationen: selten da und stumm / Reden nach Mölln und Solingen: Die wahren Opfer sitzen bei der DVU

...Manöver der Münchner Parteiführung ausgebootet. Vorsitzende wurde Marion Blohm.

Es war vor allem der autoritäre Führungsstil des Kreises um die Fraktionsvorsitzende und die Verengung auf das Ausländer- und Asylthema, die den Abgeordneten Blome und Nennstiel DVU-Partei und Fraktion verleidet haben. Peter Nennstiel hatte schon im Herbst 1992 angedroht, daß er die Fraktion verlassen werde, wenn sich der Stil der Reden nicht ändern werde. Nennstiel war Gründungsmitglied der Bremer DVU, er bezeichnet sich selbst als „gemäßigten Rechten“. Hetzreden im Stile Weidenbachs und Blohms waren ihm nach seinen eigenen Aussagen zuwider. Im „taz“-Interview unmittelbar nach seinem Austritt sagte er: „Wenn da einmal eine Debatte über Asylproblematik gemacht wird, dann ist das in Ordnung, aber wenn jetzt bei jeder Sitzung nur immer auf dem Thema Asyl herumgeritten wird, dann verliert das an Glaubwürdigkeit.“

Nennstiel wurde nach der Bekanntgabe seines Austritts von der DVU unter Druck gesetzt, doch er hielt stand, ganz im Gegenteil zu Klaus Blome. Blome hatte am 2. 6. dieses Jahres seinen Übertritt zu Altermann erklärt, nur um diesen politischen Kurzausflug schon nach drei Tagen wieder zu beenden. Die Münchner DVU-Zentrale hatte ihn massiv unter Druck gesetzt.

Grund für seinen Übertritt war sicher auch das Fehlen jeder Gleichberechtigung, geschweige denn Demokratie innerhalb der Gruppe gewesen. Einerseits war Blome wie Nennstiel Gründungsmitglied und hatte sich im Wahlkampf engagiert, aber innerhalb der Gruppe hatten nur zwei das Sagen: Marion Blohm und Hans- Otto Weidenbach. „Ich habe kein Interesse, mich als Marionette verkaufen zu lassen“, hatte Blome nach seinem ersten DVU- Austritt zur „taz“ gesagt.

Eine Schlägerei in Moskau und die Versprechen des Chefs in München

Unmittelbarer Auslöser des Übertritts war eine Rußland- Reise, an der die vier DVU- Gruppenmitglieder und der Bremerhavener DVU-Stadtrat Horst Maybauer teilnahmen. Die Reise ging nach Kaliningrad und Moskau, wo sich die Polittouristen auch mit Wladimir Schirinowskij trafen, dem Vorsitzender der Liberal-demokratischen Partei Rußlands – russisches Pendant zur DVU. Schirinowskij hatte im Sommer 92 Deutschland besucht und einige DVU-Veranstaltungen bestritten. Bei einem ersten Gegenbesuch in Moskau überbrachte der Sohn Freys eine sechsstellige Summe zum Aufbau der Schirinowskij-Partei. Neben den politischen Terminen der Bremen/Bremerhavener Delegation gab es auch nette Abende im Kreis russischer Freunde. An einem dieser Abende kam es allerdings zum Raufhändel. Maybauer hatte im alkoholisierten Zustand damit geprotzt, er sei Mitglied der Leibstandarte Adolf Hitler gewesen. Das hatte Blome verärgert; er forderte Maybauer auf, mit diesen Geschichten aufzuhören. Schließlich sei man in einem Land, das von den Hitler Truppen angegriffen worden sei. Doch Maybauer war nicht zu bremsen. Daraufhin ist es erst laut und dann handfest geworden. Blome selbst bestreitet diese Geschichte inzwischen, er hat sie unglücklicherweise selbst in Umlauf gebracht.

Kurz nach der Reise ist Blome ausgetreten. Doch der Druck Freys war groß, und die Angebote verlockend. Also schickte Blome am Tag nach seinem Übertritt ein Fax an den Bürgerschaftspräsidenten: „Mit sofortiger Wirkung und heutigem Datum schließe gt. Doch der habe ihn immer wieder beschwichtigt: „Sie können sich darauf verlassen“, habe Frey gesagt, „wir kommen wieder ins Parlament. Und wenn Sie sich loyal verhalten, werden Sie immer wieder als Kandidat aufgestellt.“ Blome habe auch in der Folgezeit immer wieder seine Zukunftsängste geäußert. Aber trotzdem hätten sich alle Ideen aus München über seinen Einsatz als leere Versprechungen entpuppt. In seinem Urlaub habe er sich schließlich zum zweiten Übertritt entschlossen. Blome: „Endgültig!“

Blome begründet das mit dem Konflikt um die Prüfung der Fraktionsfinanzen: Er habe im April blanko unterschrieben, daß alle Fraktionsmittel ordnungsgemäß ausgegeben worden seien. Sven Eggers habe ihm damals gesagt, daß dieses Verfahren üblich sei. Dann habe sich aber die DVU-Führung geweigert, dem Rechnungshof Einblick in die Akten zu gewähren, obwohl ihm das mehrfach zugesagt worden sei. Diesen Umgang mit den staatlichen Prüfern habe er nicht mehr mittragen können. – Sicherlich eine Flucht nach vorne, motiviert von der Angst, für die Unterschrift zur Verantwortung gezogen zu werden.

Arbeitsverweigerung

Die DVU fehlt immer da, wo es was zu tun gibt

Die DVU ist die faulste Fraktion, die die Bremische Bürgerschaft je gesehen hat. Über ihre Arbeitsverweigerung in Ausschüssen und Deputationen (Ausschüsse mit Regierungsvorsitz in Bremen) hat die erste Bilanz vor einem Jahr berichtet. Daran hat sich nichts geändert. Die DVU versteht die Bürgerschaft weiterhin als Bühne für Reden zum Fenster hinaus (über den Hörfunk); mit der Arbeit an Sachfragen hat sie nichts im Sinn.

Die Kritik, nicht in den Parlamentsausschüssen und Deputationen zu arbeiten, hat die DVU getroffen. Daß ihre Sitze oft leer bleiben, daß sie fast immer schweigen, wenn sie mal erscheinen: das sei Absicht und besonders demokratische Methode. Das hat Hans-Otto Weidenbach in öffentlicher Fernsehdebatte in der Bremer Sendung „Swutsch“ gesagt und später in der Bürgerschaft wiederholt: „Darüber hinaus dürfen Sie sicher sein, das Bemühen der Altparteien, wichtige Anliegen unseres Volkes in irgendwelche Ausschüsse und Deputationen abzuschieben, wobei dann die Öffentlichkeit abgeschoben wird, machen wir von der DVU nicht mit.“ (Protokolle der Sitzungen der Bremischen Bürgerschaft, 1358; im folgenden nur mit Seitenzahl zitiert). Im Klartext: Wo gearbeitet wird, daran hat die DVU kein Interesse.

Am Gesamtbild hat sich gegenüber dem ersten Jahr nichts geändert: Die Beteiligung der DVU-Deputierten ist von einigen Ausnahmen abgesehen dürftig, und wenn sie anwesend sind, sind sie nur selten vorbereitet. Und wenn sie vorbereitet sind, können sie doch selten eine sachlich fundierte Meinung äußern. Auch wenn sie es im Einzelfall wollten, wie sollten sie es kön- nen? Weder hat die DVU Beziehungen zu gesellschaftlichen Bewegungen, die Kenntnisse zur Verfügung stellen könnten, noch hat sie einen eigenen Fraktionsapparat dafür aufgebaut. Das hat sie vielmehr ausdrücklich nicht gewollt.

Chaos und Desinteresse – kein Zufall, sondern Methode

Die Aussagen von Klaus Blome werfen ein Licht auf den Umgang der DVU mit der Parlamentsarbeit. Als die DVU ihren Fraktionsstatus verlor, kam es zu –nderungen in der Ausschußverteilung und –besetzung. Dabei gab Hans-Otto Weidenbach alle Sitze bis auf die Kulturdeputation ab, den größten Teil mußte Blome übernehmen: „Marion Blohm hat beim Bürgerschaftspräsidenten die Liste eingereicht, wer jetzt welchen Ausschuß und welche Deputation macht.“ In der Fraktion sei das nie diskutiert worden. „Ich habe immer nur die Einladungen bekommen. Ich wußte gar nicht, wo ich Mitglied war und wo Stellvertreter.“ Er habe gar nicht zu allen Sitzungen gehen können, selbst wenn er gewollt hätte.

Ein paar Schlaglichter auf die Tätigkeit der DVU in den Ausschüssen: In der Finanzdeputation und damit auch im Haushaltsausschuß war die DVU durch Klaus Blome vertreten. Der kam sporadisch, zu den Haushaltsberatungen erst gar nicht. Die Anträge zum Haushalt werden dann wohl wieder per Fax aus München kommen. Ebenso selten war Blome in den Deputationen für Häfen, Schiffahrt und Außenhandel und für Wirtschaft. Im Datenschutzausschuß war er noch nie, ebenso wenig wie im nichtständigen Ausschuß zur Reform der Landesverfassung. Einen Antrag hat auch seine Stellvertreterin Frau Budina bei ihrem einzigen Auftritt nicht gestellt. Als der Bericht des Ausschusses aber im Plenum debattiert wurde, hat die Abgeordnete eine juristische Stellungnahme vorgelesen, in München aufgeschrieben, von der sie selbst kein Wort verstanden hat.

Im Parlamentsausschuß „Ausländerintegration“ ist die Abgeordnete Blohm fast nie gewesen, im Ausschuß Bundes- und Europa-Angelegenheiten überhaupt nie. Ein starker Gegensatz zu dem demagogischen Umgang der DVU mit diesen Fragen. In der Wissenschaftsdeputation hat Elfriede Budina die Nachfolge von Vorsatz angetreten. Sie schließt sich in der Regel stumm der CDU an. Was sollte sie auch anders tun, ohne jede fachliche Zuarbeit aus einer Fraktion, die nicht einmal ein eigenes Büro unterhalten will und jede sachliche Äußerung als „Verrat“ ansieht?

So werden neue Abgeordnete wie Elfriede Budina dem Spott ausgeliefert.

Die Deputierten, die nicht Bürgerschaftsabgeordnete sind, sondern als „sachkundige Bürger“ von der DVU-Fraktion entsandt sind, sind in ihrer Deputation öfter anwesend, beteiligen sich an der Sacharbeit aber ebensowenig. Das gilt für Herrn Lütjen (Bau), Herrn von Seggern (Sport) wie Frau Weidenbach (Soziales), die allerdings für ihre Deputiertenbezüge nicht einmal in die Sitzungen kommt.

Kinder von DVU-Mitgliedern Opfer der Flammen – die Reden nach Mölln und Solingen

Nach wie vor richtet die DVU den größten Teil ihrer Energie auf die Reden im Plenum der Bürgerschaft. Dabei gilt wie auch schon im ersten Jahr: Landes- oder Kommunalpolitik kommt bei der DVU so gut wie nicht vor. Sie schweigt immer dann, wenn es darum geht, ein konkretes Problem zu bereden, und sie kommt immer dann in Fahrt, wenn es um die „Wahrung deutscher Interessen“, den Vertrag von Maastricht, sowieso den Themenkomplex Asyl/Multikulturelle Gesellschaft oder, am liebsten, um sie selbst geht.

Es ist dieses sehr enge Themenspektrum, auf das sämtliche Reden zugespitzt werden. Darüber hinaus wissen die DVU- Redner nichts zu sagen. Verkehrspolitik, Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik, Umweltpolitik – Fehlanzeige. Nach wie vor kennt die DVU vor allem ein Thema, egal zu welchem Anlaß geredet wird: In der Debatte zum Sanierungsprogramm für das Land Bremen kritisierte Marion Blohm, daß 60.000 Deutsche Sozialhilfe bekämen, währenddessen „80 Millionen Mark für Nichtdeutsche und Überfremdungszwecke“ aufgewendet würden. Ihr Vorschlag: „Die Scheinasylanten auf Diät setzen“. Mehr hatte die DVU zum Sanierungsprogramm und zur Zukunft des Landes nicht zu sagen.

Die tödlichen Anschläge auf Ausländer änderten kaum etwas an der Sprache in den Reden, wenn die DVU-Abgeordneten immer wieder auf das Thema Asyl kamen. Nach Aussage von Klaus Blome hatte es innerhalb der DVU nach Mölln die Order gegeben, vorerst „eine weiche Welle“ einzulegen. Blome: „Dann gab es aber ganz schnell wieder diesen verhetzenden Ton.“ Ein Beispiel dafür lieferte Marion Blohm: „Gleichzeitig aber kassieren modisch gekleidete, vom Urlaub in der angeblichen Verfolgerheimat braungebrannte Asyllumpen bei zwei, fünf oder sogar zehn Sozialämtern ab.“ (1346) Der amtierende Parlamentspräsident Nölle (CDU) brauchte in dieser Szene erst eine Aufforderung der Grünen Karoline Linnert, bis er die Tirade Marion Blohms halbherzig rügte: Sie solle sich „einer gepflegten Sprache in diesem Hause“ befleißigen.

Mit großer Freude zitierten DVU-Abgeordnete Mitglieder anderer Parteien als Kronzeugen für ihre Auffassung der Asylpolitik, am liebsten Sozialdemokraten: Heinz Kühn, Friedhelm Farthmann, Georg Kronawitter. Nach wie vor galt dabei die rhetorische Linie: Nichts gegen die „anständigen Ausländer“, aber „man soll die Scheinasylanten an Kopf und Kragen packen und dann hinauswerfen“, wird Farthmann genüßlich zitiert.

Das zweite große Thema, das sich aus der Asyldebatte und der Ausländerfeindlichkeit entwickelte, war die Gewalt die Gewalt gegen Ausländer und die alltägliche Gewalt in der Gesellschaft. Nach den Anschlägen auf das Asylbewerberheim in Rostock trat die DVU-Fraktion geradezu mit geschwellter Brust und rotzfrech vor die Bürgerschaft; sie spürte offensichtlich Rückenwind. Erst als nach den weiteren tödlichen Anschlägen auf Ausländer die demokratischen Organisationen und die Menschen selbst sich in vielfältiger Form zu Wort meldeten, in eindrucksvollen Aktionen wie den Lichterketten, geriet die DVU in der Öffentlichkeit unter starken Rechtfertigungsdruck. Der Zusammenhang zwischen den Parolen der Brandsetzer und denen der DVU im Parlament war zu offensichtlich.

Seit Anfang 1993 startete die DVU den breit angelegten Versuch, sich von den Angriffen zu entlasten, den Begriff der „rechtsextremen Gewalt“ wieder aus der Welt zu schaffen und die Verantwortung auf den politischen Gegner umzulenken. Der erste Schritt: Die Gewalttäter aus dem politischen Zusammenhang herauszulösen. Weidenbach: Es habe sich um „Exzeßtaten unpolitischer Randalierer, Rauschtäter oder sogar von Medien engagierter und bezahlter Jugendlicher“ gehandelt. (2030) Also eher eine Inszenierung zur Verleumdung der DVU. Zweitens: Die Opfer seien vielleicht auch selber schuld; viele Anschläge würden gerade von Ausländern verübt, das nennt die DVU „inländerfeindliche Gewaltakte“. „Gewalt produziert oft weitere Gewalt. Daß der türkische Vater des bei dem furchtbaren Verbrechen von Mölln ums Leben gekommenen Mädchens (...) wegen Förderung der Prostitution, räuberischer Erpressung und schwerer Körperverletzung rechtskräftig vorbestraft ist, (...) gehört zu den Tatsachen, die von Medien und maßgeblichen Politikern etablierter Parteien vielfach verschwiegen werden.“ (2031) Merke: Kein Wunder, daß so einem die Bude angesteckt wird.

Drittens: Das eigentliche Opfer der erhöhten Gewaltbereitschaft ist die DVU. Weidenbachs Rede zu Mölln (!) gipfelte in dem Satz: „Wollen Sie etwa durch verleumderische Falschbehauptungen verantworten, daß Gewalttäter aufgestachelt werden und Kinder von DVU-Mitgliedern Opfer der Flammen werden?“ (1579)

Und viertens hat die DVU eine Reihe von Gewalt-Debatten inszeniert: „Gewalt in den Medien“, „Gewalt gegen Frauen“, „Gewalt an Schulen“, „Absage an Behindertenfeindlichkeit“. Diese Debatten gingen immer so: In der Gesellschaft ist die Gewaltbereitschaft und die Gewalt selbst gestiegen; ein Schreckensszenario wird gezeichnet. Das ist Ergebnis der Untergrabung der traditionellen Werte durch die etablierten Parteien vor allem der Linken; das ist Ergebnis „amerikanischer Kultur“, der Politik der

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