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„Supermißtrauensantrag“ gilt Haase

■ Streit um Preiserhöhungen der BVG: Sozialdemokraten bereiten dem Verkehrssenator im Parlament eine Niederlage

Die SPD-Fraktion hat am Donnerstag abend bei der Sitzung des Abgeordnetenhauses ordentlich auf die Pauke gehauen. Sie brachte einen Dringlichkeitsantrag ein, die vom BVG-Verwaltungsrat beschlossenen neuen Fahrtarife ab 1. Januar 1994 so lange auszusetzen, bis ein Sparprogramm für die BVG vorliegt. Von der Opposition tatkräftig unterstützt, erhielt sie für den Antrag, Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) mit dem Aussetzungsauftrag den BVG-Verwaltungsrat innerhalb von fünf Tagen zusammenrufen zu lassen, 122 Stimmen. Die CDU wehrte sich halbherzig, 69 Gegenstimmen waren einfach zu wenig.

Ob sich die Berliner nun tatsächlich über einen Aufschub der Tariferhöhungen freuen können, ist fraglich. Im SPD-Antrag heißt es, der Beschluß zur Erhöhung der Fahrtarife sei „so lange auszusetzen, bis ein mittelfristiges Unternehmenskonzept für die BVG vorgelegt und die Umsetzung der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen sichergestellt“ ist. Weigere sich der Verwaltungsrat, vom ursprünglich gefaßten Beschluß abzurücken, dann soll Haase als Verwaltungsratsvorsitzender „von seinem Recht der Beanstandung Gebrauch machen“.

Minuten bevor das Abgeordnetenhaus den Senator mit dieser Aufgabe „betraute“, hatte dieser angekündigt, in den nächsten Wochen einen Wirtschaftsplanentwurf für 1994 vorzulegen, der die Kosten der BVG gegenüber 1993 um rund 200 Millionen Mark senkt. Auch das von der SPD vermißte Konzept für neue Busspuren kündigte er an – zu spät.

Die SPD ging den Weg der Konfrontation mit dem Koalitionspartner CDU. Allerdings beteuerte sie heftig, ihr gehe es um Sachfragen, um die Bestätigung, daß nicht nur die Fahrgäste zur Kasse gebeten werden, sondern die BVG auch selbst Kosten spart, um von ihrem Defizit von 1,4 Milliarden Mark jährlich herunterzukommen. Bei der CDU war denn der Widerstand auch nicht groß, hegen doch nicht wenige Christdemokraten Zweifel, ob Herwig Haase kompetent genug für das Amt ist.

Der SPD ist nun offenbar der Geduldsfaden gerissen. Auch ein Briefwechsel zwischen SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt und Haase hatte die Differenzen nicht ausräumen können. Offenbar wurde Haase nun ein Denkzettel verpaßt, von der Opposition hämisch beklatscht. Von einem „Supermißtrauensantrag gegen den Verkehrssenator, der die Große Koalition in Sachfragen auseinanderdividiert“ sprach Axel Kammholz (FDP), Norbert Pewestorff (PDS) von einer „Art konstruktivem Mißtrauensvotum“ und Michaele Schreyer (Bündnis 90/Grüne) vom „fachlich inkompetentesten Senatsmitglied“.

Doch Staffelt, so war aus dessen Fraktion zu hören, brauchte auch wieder einmal einen „Erfolg“, um Kritikern an seiner Person die Luft aus den Segeln zu nehmen. Vor allem Parteilinke kritisieren, er reiche dem Koalitionspartner zu oft die Hand. Nicht von der Hand zu weisen ist, daß die SPD im Senat „zumindest in der Tendenz“ den Tariferhöhungen und im Parlament der Änderung des Eigenbetriebsgesetzes zugestimmt hatte.

Rainer Giesel (CDU) bezweifelte, daß der erfolgreiche SPD- Antrag rechtlich „wasserdicht“ ist. Haase habe zwar den Auftrag vom Parlament erhalten, den Verwaltungsrat zusammenzurufen, doch wenn sich dieser nicht beuge, müsse Haase den Parlamentswillen nicht durchsetzen. Im Verwaltungsrat sitze er als Vertreter des Senats. ADN/taz

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