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Historische Debilität

■ betr.: „Jahrestag der Revolution“, taz vom 20.10.93

Die kommentarlose Plazierung der dpa-Meldung offenbart ein erschreckendes historisches Unwissen sowohl der Akademie der Künste und der Berliner Festspiele – aber auch der taz-Verantwortlichen. Es ist den Damen und Herren der Akademie wohl entgangen, daß der 9. November ein furchtbar belastetes Datum in der deutschen Geschichte ist, daß man unmöglich den Jahrestag der Republik feiern kann und gleichzeitig den 9. November, die „Reichspogromnacht“, total verschweigt. Jahrzehntelang hat sich die restaurative Regierung in Bonn bemüht, diese Republik vergessen zu lassen – und dann den 9. November 1989 aktiviert, der wohl von nun an den 9. November 1938 in der Bedeutung ersetzen wird. Es ist ein Skandal, daß die Akademie und die Festspiele nun mit den Juden ähnlich verfahren wie die Konservativen und die Nazis mit Weimar. Ich nenne das eine historische Debilität und habe es so für meinen Pariser Sender kommentiert. [...] Michel R. Lang, Radio Juive

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