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Masse, Klasse, Kasse

■ Aids-Benefiz-Gala „Red, Hot & Dance“ im Curio-Haus: gute Laune und massig Geld   Von Werner Hinzpeter

Mehr als zehn Personen passen in eine Telefonzelle. Wieviele Leute aber faßt das Curio-Haus? Die absolute Obergrenze dürfte bei ungefähr 2100 Menschen liegen. Und so viele tummelten sich dort am vergangenen Sonntag, als der Verein „Big Spender“ zur zweiten Benefiz-Gala „Red, Hot & Dance“ einlud.

Es war kaum durch die Massen durchzukommen, die ihre gute Laune spätestens am Eingang durch Sambaklänge und mit Wachmann-Uniformen getarnte Komiker verpaßt bekamen. Ganz im Sinne der VeranstalterInnen, denn gut gestimmt sitzt bekanntlich das Portemonnaie lockerer, und darauf kam es schließlich an.

Der Verein „Big Spender“ scheffelt Geld für Aids-Projekte, was seit letzter Woche auch offiziell als gemeinnützig verstanden wird. Klotzen statt Kleckern heißt die Devise, denn im Moment nimmt die Einrichtung einer Kurzzeit-Plegestation für Aids-Kranke in der Ferdinand-Beit-Straße Form an. Noch fehlen über 1,6 Millionen Mark.

Auf Schritt und Tritt begegneten den Gästen deshalb bekanntere - wie Carlo von Tiedemann - oder unbekanntere LosverkäuferInnen. „Mister Tagesschau“ Wilhelm Wieben verkaufte unscheinbare graue Marmorkacheln, das Stück für runde 50 Mark. Die konnten nach Belieben dekoriert werden, und bei der Eröffnung der Pflegestation sollen die Feierabend-Fliesenmaler sie dann an irgendeiner Wand wiederfinden. Und wer noch nicht den offenbar zur Veranstaltung dazugehörenden Kurzhaarschnitt trug, konnte ihn sich genauso verpassen lassen wie ein fröhliches Erinnerungsporträt von einem Profi-Fotografen.

Zwischen den Spenden war die schwere Entscheidung zu fällen, vor welcher der beiden Bühnen man sich denn drängeln wollte. Mehr als 110 KünstlerInnen boten nette und oft gute Unterhaltung. Moderator Götz Alsmann (“Gong-Show“) kam ganz gegen seine Gewohnheit kein einziges Mal in die Verlegenheit, Bühnengäste zu trösten, deren Auftritt nach fiesem Gongschlag jäh unterbrochen wurde.

Das finnische Tanztheater ERI zeigte Tango vom Feinsten, „Super Dufte“ aus Darmstadt heizte mit Schlager-Parodien ein, die „Sirenen“ interpretierten a cappella die auf solchen Veranstaltungen wohl unvermeidliche Marianne Rosenberg, und Hellen Kwon lieferte mit Opern-Arien das Kontrastprogramm dazu. Selbst der in die Schlagzeilen geratene Michael Jackson - alias Calvin Hard - erklomm höchstpersönlich die Bühne.

Als die Top-Stars des Abends auf die Bühne rollten, hielt es auch die zurückhaltendsten Hanseaten nicht mehr auf den Stühlen. Die „Weather Girls“ - zwei Frauen mit einem Gipsbein und Gewicht für mindestens vier - sangen „It's raining men“. Auch wenn diese Prophezeiung nicht in Erfüllung ging - sie brachten den Saal zum Kochen und sich selbst an den Rand des Erschöpfungstodes.

Gelohnt hat sich die Mühe allemal. 125.000 Mark waren am Ende des Abends in der Big-Spender-Kasse. Insgesamt hat der Verein damit binnen eines guten Jahres 345.000 Mark für Aids-Projekte zusammenbekommen.

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