: Elektrohandwerk klagt und klagt
■ Unternehmen warnen vor höheren Lohnnebenkosten 40 Prozent der Betriebe haben noch Aufträge für einen Monat
Jede weitere Erhöhung der Lohnnebenkosten ist für die rund 4.250 Betriebe der lohnintensiven Elektrohandwerke in Berlin und Brandenburg existenzgefährdend. Zu dieser Einschätzung gelangte der Vorsitzende des Fachverbandes Elektrotechnische Handwerke Berlin-Brandenburg, Klaus Peter Müller, gestern auf der 7. Berliner Fachmesse für Elektrotechnik „belektro“. Neue Sozialleistungen, vor allem eine Pflegeversicherung ohne Kostenausgleich, könne sich die Branche zum jetzigen Zeitpunkt nicht leisten. Auch eine umlagefinanzierte Pflegeversicherung sei in Zukunft nicht möglich. Müller begründete dies mit der schlechten Geschäftslage. 40 Prozent der Betriebe hätten nur noch Aufträge für einen Monat oder weniger, in Brandenburg sogar 60 Prozent. Die größten Probleme hätten Firmen der Elektromechanik und des Elektromaschinenbaus, wo angesichts der Lage in der Metall- und Elektroindustrie die Aufträge „praktisch auf Null zurückgegangen“ seien.
Verschärft werde die Situation durch anhaltenden „gnadenlosen Verdrängungswettbewerb“ durch Großanbieter. Der Verbandsvorsitzende kritisierte zugleich, daß über die Ausweitung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die subventionierte Beschäftigung in „problematischer Weise aufgebläht“ worden und mit dem ersten Arbeitsmarkt in Konkurrenz getreten sei. „Die kostenintensiven AB-Maßnahmen müssen darum schrittweise zugunsten einer Stärkung des regulären Arbeitsmarktes zurückgefahren werden“, forderte Müller. Zudem müsse eine „vernünftige Tarifpolitik“ sich an Produktivität und nicht an Inflationszahlen und politischen Vorgaben orientieren.
Die Situation der Elektrohandwerke in den neuen Bundesländern ist nach Einschätzung der Landesverbandschefs Berlin- Brandenburg dabei differenziert. In Sachsen sei die Auftragslage weit besser, in Thüringen gut. Während sie sich in Mecklenburg- Vorpommern nach schwachem Anfang mit Aufträgen aus der Tourismusbranche und dem Wohnungsbau stabilisiert habe, klage Sachsen-Anhalt. Der Umsatz der Elektrohandwerksbetriebe in den neuen Ländern liege mit etwa 85.000 bis 90.000 Mark pro Jahr im Schnitt um 19 bis 23 Prozent niedriger als in den Altbundesländern (110.000 Mark). „Mit einem lachenden und einem weinenden Auge“ sieht der Berliner Innnungs-Obermeister die Aussichten in seinem Bereich. Das mit der Baukonjunktur zunehmende Wachstum könne Beschäftigung für die nächsten zehn Jahre für die Betriebe in Berlin und im „Speckgürtel“ um die Stadt bieten. Für die anderen Brandenburger Firmen sehe es eher „traurig“ aus. ADN
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