"So entsteht Politikverdrossenheit"

■ Wissenschaftsausschuß kippt Zahnmedizin von der Tagesordnung / Antrag von Bündnis 90/Grüne: Humboldt-Universität und FU sollen ihre Zahnkliniken in ein gemeinsames "Zentralinstitut" einbringen

Die Zuschauer machten ihrem Zorn Luft: „Ich fühle mich verarscht“, meinte Ralf Radlanski, Professor an der Zahnklinik Nord der Freien Universität. „So entsteht Politikverdrossenheit“, kommentierte trocken ein Student. Eigentlich hatte ihre Zukunft beraten werden sollen – dann kippten die Vertreter der Koalition im Wissenschaftsausschuß des Abgeordnetenhauses gestern diesen Punkt einfach von der Tagesordnung. Nun wird auf Antrag der CDU die Neustrukturierung der universitären Zahnmedizin und ein sich darauf beziehender Antrag von Bündnis 90/Grüne erst in zwei Wochen beraten und beschlossen werden.

Eberhard Engler von der CDU begründete den Antrag seiner Fraktion damit, daß sich am Freitag Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU), Abgeordnete und Studenten zu einem Gespräch in der Zahnklinik Nord treffen wollen: „Da können wir doch heute keinen Beschluß fassen.“ Daß das sowieso keiner gewollt hatte – gestern sollte nur beraten werden –, focht Engler nicht an. Die Meinungsbildung in seiner Fraktion sei noch nicht abgeschlossen. Senator Erhardt war Ende September bei einer ersten Anhörung mit seinen Vorstellungen auf eine breite Front der Ablehnung gestoßen. Weder Humboldt- noch Freie Universität (FU), nicht einmal seine eigenen Parteifreunde konnten sich für seinen Vorschlag begeistern, die Zahnklinik an der Charité zu schließen und dafür die beiden FU-Zahnkliniken der HUB zuzuordnen. Seither suchen die Politiker aller Parteien vergeblich nach einem Kompromiß, der möglichst keinem weh tut und möglichst viel spart – sprich: die Studentenzahlen kürzt.

Der Antrag von Bündnis 90/Grüne wollte, wie Sybille Volkholz es ausdrückte, „den Ball an die Hochschulen zurückwerfen“: HUB und FU sollen sich auf ein hochschulübergreifendes Zentralinstitut einigen. Dieses Institut könnte formell der HUB zugeordnet werden, Stellen und Personal verblieben haushaltsrechtlich aber bei ihrer Mutterhochschule. Der Kernpunkt: Wie es die Standorte aufteilt, und wie es die Reduzierung der Studentenzahlen von jetzt 270 auf 180 erreicht, soll dem Institut selbst überlassen bleiben. Frau Volkholz ist zuversichtlich, daß ihr Vorschlag von den Unis positiv augenommen wird: „Die müssen sich einfach einigen, wenn sie nicht wollen, daß Erhardt ihnen Kompetenzen wegnimmt.“

Professor Radlanski verspricht sich von den Gesprächen am Freitag nicht viel. An die Adresse der Koalitionspolitiker gerichtet, meinte er: „Die kennen ja nicht mal den aktuellen Stand der Diskussion. Die sollen sich mal sachkundig machen.“ Kai Strittmatter