: Tut man Hausfrauen an die Wand nageln?
■ Hier faßt man sich ein Herz fürs etwas grellere Fernsehen: „Schrägspur“, ein Kulturmagazin im Offenen Kanal
Das Magazin, wie es unwiderruflich Gestalt annimmtFoto: Archiv
Ist das noch Fernsehen, wie wir es kennen? Wenn nacheinander vier brave Hausfrauen auf dem Bildschim auftauchen, im grellen Scheinwerferlicht an die Studiowand genagelt, schüchtern irgendwas von Kunst in die laufende Kamera schwafelnd? In „Aspekte“ jedenfalls war's nicht, dafür in „Schrägspur“. Die MacherInnen des Kulturmagazins im Offenen Kanal haben nämlich ein Herz für die etwas grelleren Formen des Fernsehens. Der Beitrag über die vier Frauen des Projekts „Hausfrauenkunst“ ist einer von knapp 50 Filmen, die bisher via „Schrägspur“ ans Licht der TV-Öffentlichkeit kamen — doch so herzhaft schräge Vorstellungen sind auch hier Mangelware: Nach 15 Monaten Betrieb sucht das Projekt immer noch nach Enthusiasten, die dau
hierhin bitte das
Foto von dem Mann
vor zwei Monitoren
erhaft an der Idee eines alternativen Kulturmagazins mitarbeiten wollen.
„Gerade die jüngeren Leute sind relativ sicher darin, wie man bestimmte Einstellungen filmt, wie man schneidet und so“, lobt „Schrägspur“-Initiator Jens Werner den Nachwuchs. „Die haben einfach eine bestimmte Lebenszeit vor dem Fernseher verbracht“, mutmaßt er. Solch handwerkliches Geschick ist nicht allen AutorInnen zu eigen. Um wirklich experimentieren zu können, sagt Mitarbeiter Christian Meyer, „fehlt den meisten einfach der nötige Standard“. Den aber wollen die „Schrägspur“-Redakteure ihren freischaffenden Filmern aus Prinzip nicht vorschreiben: Wenn es ein Konzept gibt, dann ist es das der „Offenheit“ für alle und jeden.
Einmal in der Woche, donnerstags um vier, tritt das offene Redaktionsforum zusammen, in der Videowerkstatt des Schlachthofs. Dort nam das Projekt seinen Ausgang: Zunächst als filmischer Veranstaltungskalender des Schlachthofs, der gelegentlich per Videobeam in der Kesselhalle erschien; dann, mit der Einrichtung des Offenen Kanals, als monatliches Kulturmagazin für die weitere Nachbarschaft, schließlich ganz Bremen und umzu. „Jetzt haben wir genügend Sendezeit, um auch mal 'ne längere Reportage zu machen“, sagt Werner. Über das Werden und Gedeihen des „Lichthaus“-Künstlerdomizils z.B., aber auch über Themen jenseits des „Aspekte“-Kulturbegriffs: ein Flüchtlingslager im Kohlenhafen, das Elend der bremischen Fremdenverkehrswerbung, und natürlich das Flohmarktsdrama in seiner ganzen Vehemenz.
Neben dem Themenmix bietet aber auch die Form der Beiträge immer wieder Überraschungen. „Eine bestimmte Machart oder Aufmachung gibt's bei uns nicht“, sagt Werner. Das möge für die Fernsehzuschauer gewöhnungsbedürftig sein. „Aber es macht eben den Reiz von so einem Magazin aus.“ So stehen experimentelle Videoclips und kleine, einfallsreiche Inszenierungen neben brav gestrickten Künstlerporträts und Interviews — wobei letztere eindeutig in der Mehrheit sind und derzeit das Profil von „Schrägspur“ bestimmen. Jens Werner bevorzugt selbst „eher die klassische Reportage“. Zwar würden die meisten der freien AutorInnen ihr Engagement „nicht als Einstieg ins Fernsehen“ verstehen. Dennoch vermutet man beim Magazin, nur dann „eine größere Akzeptanz bei den Zuschauern zu erzielen“, wenn die Sendungen „mindestens teilweise den gängigen Standards von TV-Produktionen nachkommen, ohne deren Machart zu kopieren.“
Letzteres aber ist vielen Beiträgen nach wie vor anzumerken. Die wahrhaft schrägen Perspektiven tauchen immer dann im Programm auf, wenn sich die Künstler selbst experimentierfreudig über die Videowerkstatt hermachen. So ruft das Team nach mehr MitarbeiterInnen, nach Fernsehinteressierten und — Verrückten, Quereinsteigern und Heimarbeitern. Bitte meldet Euch! Zumindest einmal wöchentlich, in der „Schrägspur“- Konferenz. tom
Heute abend im Offenen Kanal: 18.21 Uhr „Scope“, ein neues Kinomagazin der Videowerkstatt mit einem Helge- Schneider-Interview; 18.35 Uhr „Schrägspur“, u.a. mit Beiträgen über die Reihe „Wem gehört die Stadt“, das Comicmagazin „Panel“ sowie aktuellen Veranstaltungstips — wie immer nur über Kabel zu empfangen
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