: Propaganda der Tat
■ Innere Sicherheit: Die Koalition macht Wahlkampf mit dem Strafgesetzbuch / An 14 Punkten sollen bestehende Gesetze verschärft oder ergänzt werden
Bonn (AFP/taz) – Nach der Propaganda läßt die Koalition jetzt Taten folgen. Da die Innere Sicherheit eines der zentralen Wahlkampfthemen der Regierungsparteien werden soll, haben sich die Innenpolitik-Experten von CDU/ CSU und FDP in dieser Woche auf ein sogenanntes Artikelgesetz verständigt, mit dem zum Teil drastische Strafverschärfungen in unterschiedlichen Bereichen durchgesetzt werden sollen. Ausgeklammert blieb der sogenannte Große Lauschangriff – also die Möglichkeit, Wanzen und anderes technische Gerät in Privatwohnungen zu plazieren –, da die FDP sich gegen den Einbruch in die Immunität der Wohnung noch sträubt und für die notwendige Grundgesetzänderung sowieso die SPD gebraucht würde. Die jedoch wird erst bei ihrem Parteitag Mitte November in Wiesbaden darüber entscheiden.
Doch auch ohne den Großen Lauschangriff liest sich der Katalog der angepeilten Verschärfungen wie die Umsetzung eines alten Wunschzettels der law and order- Fraktion. So soll der Kronzeuge, dessen Problematik in Drogenverfahren und RAF-Prozessen bereits hinlänglich deutlich wurde, künftig auch in Prozessen gegen organisierte Kriminalität zum Zuge kommen. Der Vorschlag ist aus zwei Gründen abwegig: Zum einen hat die Einführung des Kronzeugen in Drogenverfahren – die ja einen großen Teil der organisierten Kriminalität in Deutschland ausmachen – nicht dazu geführt, den Rauschgiftmarkt einzudämmen, zum anderen wird der Kronzeugen-Einsatz dann zu einem massenhaften Phänomen, da bis jetzt die genaue Definition der organisierten Kriminalität strittig ist.
Doch nicht nur der Kronzeuge, auch die Geheimdienste sollen zukünftig zur Niederringung der organisierten Kriminalität genutzt werden. Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes aus abgehörten Telefongesprächen sollen der Polizei zur Verfügung gestellt werden. Damit greift der BND, der eigentlich nur im Ausland tätig werden darf, immer mehr in die Strafverfolgung im Inland ein. Eine solche Regelung ist darüber hinaus ein Einstieg für die Geheimdienste insgesamt, die die „Bekämpfung der organisierten Kriminalität“ längst als Wachstumsmarkt entdeckt haben.
Auch ein anderer alter Wunsch aus dem Sicherheitsapparat taucht jetzt wieder auf: Die Gründe für Untersuchungshaft sollen erweitert werden. Gilt derzeit für den Haftrichter Flucht- und Verdunkelungsgefahr als U-Haft-Begründung, soll zukünftig auch eine Wiederholungsgefahr und ganz allgemein die „Schwere der Tat“ dazukommen.
Wo sie schon mal dabei sind, soll auch das Asylverfahrens- und das Ausländergesetz erneut so verschärft werden, daß Schlepper besser als bisher gefaßt und bestraft werden. Dealer sollen schneller abgeschoben werden können. Der Ausgewogenheit halber soll auch die Verwendung von Nazi-Symbolen, die verbotenen Kennzeichen zum Verwechseln ähnlich sehen, künftig unter Strafe gestellt werden. Die Paragraphen gegen Volksverhetzung, Gewaltdarstellung und Aufstachelung zum Rassenhaß sollen neu gestaltet werden, um bisher bestehende Strafbarkeitslücken zu schließen. JG
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