piwik no script img

Teure Pässe für Sozialhilfeempfänger

■ Bosnische Flüchtlinge erhalten nicht mehr generell einen kostenlosen Paß

Der kleine Aufenthaltsraum der bosnischen Kulturgemeinde „Behar“ im Wedding platzt aus allen Nähten, wenn an den Wochenenden Mitarbeiter der Botschaft Bosnien und Herzegowina aus Bonn anreisen. Hunderte bosnische Flüchtlinge kommen dann zu den „erweiterten Konsulartagen“ in die Räume des Vereins in der Sprengelstraße. Alte und Junge und Mütter mit ihren Kindern warten darauf, daß sie ihre Anträge für einen bosnischen Reisepaß abgeben können.

Bis vor wenigen Wochen haben sowohl Sozialhilfeempfänger als auch Flüchtlinge, die beweisen können, daß sie verwundet wurden oder Gefangene waren, einen gebührenfreien Paß bekommen. Für Sozialhilfeempfänger aber gibt es seit einem Monat eine neue Anweisung von der Regierung in Sarajevo. Die Botschaft in Bonn – zuständig für in Berlin lebende Flüchtlinge – handelt jetzt nach dem Grundsatz, daß „Sozialhilfeempfänger kein Recht mehr haben, noch immer gebührenfrei einen Paß zu bekommen“, so der 1.Sekretär, Lasic Mill. Ältere Personen und Frauen mit Kindern aber, so Mill, bekommen den Paß für 120 Mark – alle anderen müssen 350 Mark hinblättern.

Die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John ist gegen die hohe Gebühr. Sie würde eine „kleine Paßgebühr“ begrüßen. „Der bosnische Staat darf nicht an Flüchtlingen Geld verdienen.“ Auch die Kreuzberger Stadträtin für Sozialwesen, Ingeborg Junge- Reyer (SPD), wendet sich gegen den hohen Preis: „Ich bin nicht bereit, Kosten zu übernehmen, die merkwürdige konsularische Vertretungen verlangen.“ Die Innenverwaltung sollte sich ihrer Meinung nach „für einen tragbaren Preis stark machen“.

Bis Ende des Jahres müssen nur die Flüchtlinge einen Paß beantragt haben, so die Ausländerbeauftragte, die ihre Identität bisher nicht eindeutig nachweisen konnten. Zum Identitäsnachweis reiche beispielsweise ein jugoslawischer Reisepaß oder Personalausweis. Führerscheine werden, weil leicht zu fälschen, nicht mehr anerkannt. Einen „schwunghaften Handel“ mit gefälschten Führerscheinen bestätigt auch ein in Berlin lebender Bosnier, der nicht genannt werden will. Für 150 Mark sei dieser zu bekommen und nach sechs Monaten in einen deutschen Führerschein eintauschbar. Auch mit anderen Dokumenten werden offenbar Geschäfte gemacht. So sei ein gefälschter jugoslawischer Paß schon für 100 Mark zu bekommen, sagt der Bosnier.

Dabei gilt nach wie vor die Regelung, daß der Paß für den Erhalt von Sozialhilfe nicht erforderlich ist. Demzufolge erstattet das Sozialamt die Kosten nur je nach Einzelfall und Überprüfung der Quittung, so die Pressereferentin der Senatsverwaltung für Soziales, Rita Hermanns.

Von den rund 30.000 in Berlin lebenden bosnischen Flüchtlingen – von dieser Zahl geht die Botschaft aus – haben ungefähr 7.000 einen Paß beantragt, so der Leiter der Konsularabteilung, Nedzad Mirica. Noch immer würden Flüchtlinge ankommen, denn die „ethnische Säuberung“ gehe weiter. „Und alle möchten den neuen Paß haben“, so der 1. Sekretär der Botschaft, „aus emotional-psychologischen Gründen“. Der alten Pässe laufen am 31. Dezember aus. Barbara Bollwahn

Siehe auch Seite 28

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen