: Jetzige Potentiale werden künstlich niedrig gerechnet
■ Wirtschaftsbehörde und HHLA haben sich an Altenwerder festgebissen / Widersprüchliche Kapazitätsprognosen
Kann der Hamburger Hafen auch auf seiner heutigen Flächen den Containerumschlag verdoppeln? Das in der taz veröffentlichte Dosssier eines HHLA-Mitarbeiters gab darauf eine klare Antwort: Ja, die Kapazität kann von heute 2,5 Mio TEU pro Jahr auf bis über 5 Mio TEU verdoppelt werden.
HHLA und Wirtschaftsbehörde blieben gestern bei ihren heftigen Versuchen, diese Aussagen zu widerlegen, nicht nur eine klare Antwort schuldig. Sie verwickelten sich sogar in teilweise erheblicher Widersprüche, wie die Zahlen im nebenstehenden Kasten belegt. Beträgt die Kapazität des Hafens nach Ausschöpfung seiner internen Reserven nun 3,6 Mio TEU (Wirtschaftsbehörde), 3,8 Mio TEU (HHLA) oder 4,5 Mio TEU (taz-Umfrage bei Hafenfirmen)? Erstaunlich, daß HHLA, Wirtschaftsbehörde und taz jeweils die gleiche Quelle haben: Die Befragung der Hafenfirmen.
Noch willkürlicher erscheint das Prognosewirrwarr: Während der Unternehmensverband Hafen Hamburg für das Jahr 2000 mit 4,2 Mio TEU kalkuliert, sind Wirtschaftsbehörde und Hafenplanung erst bei 3,2 Mio TEU angelangt. Wie soll Henning Voscherau sich entscheiden? Glaubt er der Prognose seiner Wirtschaftsbehörde, dann muß er für 3,2 Mio TEU vorsorgen und hat dafür, fragt er die Hafenfirmen, ein Potential von 4,5 Mio TEU im heutigen Hafengebiet.
Was aber, wenn die Kapazitätspessimisten und die Umschlagsoptimisten recht haben: Dann klafft im Jahr 2000 tatsächlich eine Lücke! Ein weiterer HHLA-Mitarbeiter, der sich gestern bei der taz meldete, hilft bei der Orientierung: „Wenn wir beim Burchardkai wirklich ernst machen, kommen wir auf deutlich mehr als 2 Mio TEU pro Jahr. Das wollen die aber garnicht. Die wollen Altenwerder.“ Noch eine unqualifizierte Behauptung?
Des Pudels Kern: Wirtschaftsbehörde und HHLA haben sich planerisch seit langem an Altenwerder festgebissen. Erhebliche Umschlagssteigerungen auf den bestehenden Flächen könnten diesen Planungsprozeß nur stören. So werden die Potentiale der bisherigen Anlagen künstlich niedrig gerechnet. Aus gutem Grund unterblieb bisher eine echte Kapazitätsanalyse des Hamburger Hafens. Kein Wunder: Das Ergebnis hätte vorher schon festgestanden. 5 bis 6 Mio TEU im Jahr 2000 wären bei einer konsequenten hafenweiten Containerstrategie schon mit der heutiger Technik möglich - vorausgesetzt, man will es wirklich. Möglichkeiten gibt es viele: Die Vorverlegung von Kaimauern (am Burchardkai geplant!), der Abriß weiterer Packhallen, Optimierungen im Van-Carrier-Verkehr und die Nutzung weiterer Flächenreserven (Endausbau Grieswerder Hafen, volle Nutzung des BP-Geländes, Umwandlung von Betriebsparkplätzen in Containerflächen) ...
Ein Terminaloperator am Burchardkai witzelte denn auch kürzlich bei einer Besprechung zur geplanten Erweiterung und Vorverlegung der Schiffsliegeplätze: „Das machen wir, wenn wir Altenwerder nicht kriegen.“ Florian Marten
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