Geldgeschäfte im Minutentakt

■ Immer mehr Bankkunden verabschieden sich von starren Öffnungszeiten und langen Warteschlangen am Schalter und greifen lieber zum Telefon, wenn sie Geld überweisen oder einen Sparbrief kaufen wollen

Immer häufiger flüstern Mitarbeiter in ihren Büros schon vormittags „Tiger“, „Hasilein“ oder „Goldstück“ in ihre Telefonhörer. Was sich anhört wie ein Tête-à-tête am Telefon, ist nur die Abwicklung privater Bankgeschäfte.

Über 400.000 von rund 515.000 Privatkunden der Citibank nutzen den Service des Telefonbankings (CitiPhoneBanking) für Überweisungen, Daueraufträge, Kontostandsabfragen und mehr. Sie sind dabei weder an Banköffnungszeiten gebunden, noch müssen sie lange Wege und Warteschlangen in Kauf nehmen. Das ist vor allem für Berufstätige ein Vorteil. Und schnell geht es auch.

Mit einem persönlichen Kennwort, der Kontonummer und dem eigenen Namen kann der Anrufer an sechs Tagen in der Woche (außer sonntags) rund um die Uhr Bankgeschäfte erledigen. Im Bochumer Telecenter des Geldinstituts, das online mit dem Rechenzentrum der Citibank in Düsseldorf verbunden ist, nehmen über fünfzig in Schnellkursen geschulte Teilzeitkräfte die Aufträge der Kunden entgegen und führen sie sofort am Bildschirm aus. „Das dauert zwischen einer und maximal fünf Minuten“, schätzt Citibanksprecher Michael Bierdümpfl. Zur Kontrolle wird dem Girokontoinhaber noch am selben Tag ein Kontoauszug zugeschickt.

Bequem, zeit- und kostensparend – so jedenfalls loben viele Kunden das 1991 eingeführte neue System. Freilich zahlen Anrufer die Kosten für das Telefonat und die Portogebühr für die schriftliche Bestätigung ihres Auftrags. „Doch was ist das schon, wenn man Fahrtkosten, Zeit für den Weg in die Filiale und das Warten am Schalter dagegenrechnet“, meint Bierdümpfl.

Die Kunden schätzen den neuen Service. Bis zu 15.000 Anrufer melden sich täglich in der Bochumer Telezentrale der Bank, im Monat sind es rund 250.000. Zwischen 8 Uhr morgens und 12 Uhr mittags sowie nach 17 Uhr ist im Telefoncenter wochentags die Hölle los. Länger als fünf Klingelzeichen müsse jedoch niemand warten, heißt es bei der Bank.

Für die Citibank ist das Telefonbanking zum Knüller geworden. Die Zahl der „Formel1-Girokonten“ nahm 1991 um 46.000 und 1992 um 50.000 zu. Und zudem dürfte der Telefonservice für die Bank ein gutes Geschäft sein. Denn die Personalkosten für die studentischen Hilfskräfte sind mit denen ausgebildeter Bankfachleute nicht zu vergleichen. Deshalb können bisher allerdings auch nur relativ einfache Bankgeschäfte abgewickelt werden. Spezielle Beratungsgespräche in der jeweiligen Filiale am Wohnort können aber am Telefon vereinbart werden.

Mit der Einführung des Telefonbankings ist die Citibank nicht nur in eine Marktlücke gestoßen, sondern hat auch die Konkurrenz überrascht. Zwar bieten alle großen Geldinstitute in ihren Zweigstellen eine geballte Ladung Elektronik an. An 365 Tagen im Jahr können sich Kunden dort mit der ec-Karte oder der Kreditkarte rund um die Uhr bedienen. Der Nachteil gegenüber dem Telefonbanking: der Kunde muß zu seiner Filiale gehen, sich möglicherweise in eine Schlange einreihen und schlimmstenfalls unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen, weil die Maschine streikt. All dies kann beim Telefonbanking nicht passieren.

Banken überlegen noch

Großbanken wie Deutsche Bank, Commerzbank scheuen sich, Telefonbanking einzuführen. Im Moment warten die Bankriesen ab, wie Citi-Phone beim Kunden ankommt. Sie beobachten den Markt sehr genau, heißt es vage bei der Deutschen Bank. Noch vertraut man auf das riesige Filialnetz mit den vielen Selbstbedienungsautomaten sowie den inzwischen vollcomputerisierten 16 Info-Centern, in denen Kunden Tag und Nacht fast alle Bankgeschäfte erledigen können. Ähnlich verhält sich die Commerzbank. Im Moment testet sie erst einmal, wie die Kunden auf vollektronische Bankangestellte reagieren. Die zehn in Großstädten aufgestellten SB-Terminals informieren den Benutzer fast über alles – vom Kontostand bis zu den Aktienkursen. Über die Einführung von Telefonbanking werde intensiv nachgedacht, heißt es bei der Commerzbank.

Denn im Vergleich zu früheren Jahren legte die Citibank bei den Girokonten deutlich zu. Das gibt den Chefs anderer Institute zu denken. Nicht einmal die massiven, von Verbraucherschutzverbänden geäußerten Sicherheitsbedenken gegen den leicht zu knackenden Geheimcode des neuen Service sowie die Alleinhaftung des Kunden bei Mißbrauch halten die Anrufer vom Telefonbanking ab. Branchenkenner sind sich sicher, daß die Großbanken auf Dauer kaum auf Telefonbanking verzichten können, wenn sie ihre Massenkundschaft nicht verlieren wollen.

Postbank testet Service

Günter Schneider, Vorstandschef der Postbank, hat das erkannt. Seit Oktober 1992 läßt er das Banking per Telefon von 1.200 Testkunden in der Niederlassung Karlsruhe ausprobieren. Bereits im Januar bot die Postbank den Telefonservice allen 20.000 Mitarbeitern an und bat sie, das Angebot „fleißig zu nutzen“, um möglichst bald erste Erfahrungen für den Start auswerten zu können. In einer weiteren Testphase soll der Telefonservice allen 700.000 Postmitarbeitern offeriert werden. Mitmachen werden 300.000 bis 500.000, schätzt Postbanksprecherin Claudia Schmitz. „Mit der endgültigen Einführung für alle Kunden wird noch im zweiten Halbjahr 1993 gerechnet“, erklärt Schmitz.

Die eigentliche Konkurrenz für die Citibank aber sitzt in Ostdeutschland. Dort testet die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank (Hypobank) den Markt für Electronic- und Telefonbanking. Dafür hat sie die Tochtergesellschaft Hypo-Service-Bank (HSB) gegründet. Im Dezember 1991 wurde die erste vollautomatische Filiale in Chemnitz eröffnet. Bis heute hat die HSB-Bank 43 Zweigstellen, in denen die wichtigsten Bankdienstleistungen rund um die Uhr am Automaten abgewickelt werden können.

Seit einigen Monaten können sich auch Kunden der HSB den Weg zu ihrer Filiale sparen und zum Telefon greifen – sofern sie eines haben. Noch ist das HSB-Service-Telefon in Leipzig wenig frequentiert. Doch das werde sich schnell ändern, ist sich Vorstandsmitglied Lothar Lanz sicher. Das Kreditinstitut lockt vor allem mit günstigen Konditionen für das Girokonto. Guthaben werden ab 1.000 Mark mit 4 Prozent und ab 10.000 Mark mit 6,5 Prozent verzinst. Die Kontoführungspauschale, in der alle Buchungsposten enthalten sind, beträgt sieben Mark im Monat.

Im Westen will die Hypobank vorerst noch auf die vollautomatische Bank verzichten. „Wir können nicht alles auf einmal machen. Sicher hängt die Einführung im Westen jedoch vom Erfolg im Osten ab“, sagt Lanz. Immerhin gibt es seit April erste Versuche in Nürnberg und Erlangen.

„Im Moment haben wir 40.000 Kunden, aber jeden Monat kommen 6.000 neue hinzu“, freut sich Lanz. Da überwiegend Standardleistungen angeboten werden, kann die HSB weitgehend auf personalintensive Beratung verzichten. „Wo im Westen durchschnittlich acht bis zwölf Angestellte sitzen, werden hier nur drei bis vier Mitarbeiter je Filiale gebraucht“, sagt Lanz. Mit dem Billigangebot hoffen die Bayern zumindest im Osten gegen Citibank und Postbank bestehen zu können. Nicht umsonst wird die HSB in Bankenkreisen auch als Aldibank bezeichnet.

Der Artikel ist in gekürzter Form der Zeitschrift Finanztest vom Juli/August '93 entnommen